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Gesundheitsfinanzierung

Um globale Gesundheitsziele zu erreichen, bedarf es ausreichender Finanzierung

Ohne externe Unterstützung durch öffentliche Entwicklungshilfe (engl. Official Development Assistance oder kurz ODA) haben viele Entwicklungsländer keine Chance, das Ende von Aids zu erreichen und das Menschenrecht auf Gesundheit zu verwirklichen.

Das Aktionsbündnis setzt sich dafür ein, dass Deutschland einen angemessenen und fairen Beitrag für die Verbesserung der Lebenschancen der benachteiligten und von HIV betroffenen Menschen leistet. Um die bloße Verschiebung von Finanzmitteln zwischen verschiedenen Förderbereichen zu vermeiden, wird nicht nur die Unterstützung der HIV-Bewältigung, sondern auch die Finanzierung von Gesundheit und die ODA-Leistungen insgesamt verfolgt - so beispielsweise in einer Forschungskollaboration mit dem Missionsärztlichen Institut Würzburg und weiteren Organisationen.

Der UN-Richtwert von 0,7 % des BNE

Die Vereinten Nationen (United Nations - UN) haben sich bereits 1970 in einer Resolution darauf verständigt, dass die wirtschaftlich fortgeschrittenen Staaten 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bis zur Mitte des damaligen Jahrzehnts zur Verfügung stellen. Diese Selbstverpflichtung wurde anfangs des neuen Jahrtausends in der UN-Erklärung zu HIV/Aids und dem Monterrey-Konsensus zur Entwicklungsfinanzierung erneuert. Die vor 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staaten, darunter Deutschland, haben sich 2005 verpflichtet, den Richtwert bis spätestens 2015 zu erfüllen.  

Im Jahr 2014 erreichten 5 der 23 Mitgliedstaaten des Entwicklungsausschusses der OECD das vereinbarte Ziel. Abgesehen von den am meisten von der Finanzkrise betroffenen Ländern steht ausgerechnet Deutschland in der Rangfolge der europäischen Länder im unteren Bereich. Nach Lesart der OECD belief sich die deutsche ODA-Quote auf 0,41 Prozent des BNE. Rechnet man aber die Mittel heraus, die Deutschland nicht verlassen oder als Darlehen vergeben werden, dann bleiben kaum 0,29% des BNE für genuine Entwicklungshilfe übrig. Das hat enorme Auswirkungen, da Deutschland in Europa über die größte Volkswirtschaft verfügt.

Die Bundesregierung hat zwar beschlossen, den Entwicklungsetat aufzustocken. Trotz der weit unterdurchschnittlichen ODA-Leistungen will sie damit aber nur die Quote bei 0,4 Prozent halten. Sehen Sie dazu die Pressemitteilung des Aktionsbündnis gegen AIDS.

Es ist ein ausgesprochener Skandal, dass die Industriestaaten bei der im Juli 2015 in Addis Ababa durchgeführten Konferenz für Entwicklungsfinanzierung den Vorschlag gekippt haben, bis 2020 den UN-Richtwert endlich zu erfüllen. Deutschland hat offenbar innerhalb der Europäischen Union eine unrühmliche Rolle als Blockierer einer konkreten Vereinbarung gespielt. Gerade den am stärksten benachteiligten Ländern wird es damit verwehrt, die dringend notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation und den Aufbau von Gesundheitssystemen und anderen Grunddiensten zu planen und zu verwirklichen. Die reichen Staaten gefährden mit ihrer engstirnigen Verweigerungshaltung auch die Umsetzung der künftigen Entwicklungsagenda, die im September 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen werden soll. Damit werden die Hoffnungen von Millionen Menschen auf eine bessere Zukunft enttäuscht und die Bekämpfung von Fluchtursachen entpuppt sich als hohles Gerede der politisch Verantwortlichen.

Hier findet sich eine stets aktualisierte Übersicht über Höhe und Verteilung der geleisteten ODA

Die WHO-Empfehlung von 0,1% für Gesundheit

Schon 2001 hat das Expertengremium zu "Makroökonomie und Gesundheit" der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation - WHO) unter Leitung des Ökonomen Jeffrey D. Sachs in einem Bericht die Empfehlung abgegeben, dass die Industrieländer mindestens 0,1 Prozent ihres BNE für den Ausbau der Gesundheitsdienste in den armen Ländern bereitstellen müssen.

Von diesem Ziel ist Deutschland noch weiter entfernt als von dem UN-Richtwert. Nach Berechnungen von Joachim Rüppel, vom Missionsärztlichen Institut Würzburg, lagen die ausgezahlten ODA-Zuschüsse für Gesundheit im Jahr 2013 bei knapp 800 Millionen Euro, was nur 0,028 Prozent des BNE entsprach. Die umgesetzen Mittel für Maßnahmen zur Bewältigung der HIV-Epidemie lagen bei knapp 230 Millionen Euro oder 0,008% des BNE.

Die übrigen europäischen Geberstaaten stellten im Durchschnitt mit 0,068 Prozent des BNE für die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich bereit und leisten damit mehr als das Doppelte des deutschen Niveaus. Abgesehen von den am stärksten von der Finanzkrise betroffenen Ländern schnitten nur zwei Staaten noch schlechter ab als Deutschland. Ein ähnlicher Rückstand zeigt sich auch bei den Beiträgen für HIV-Maßnahmen.

Das 15% "Abuja-Ziel"

Um die einheimischen Mittel für die Bewältigung der HIV-Epidemie und die Verbesserung der Gesundheitssysteme zu steigern, haben die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union  sich 2001 in in Abuja, Nigeria dazu verpflichtet, 15 Prozent der Staatseinnahmen für Gesundheit aufzuwenden zu wollen. Im Jahr erfüllten 7 von 45 Ländern mit verfügbaren Daten diese Zielvorgabe. Nach Daten der WHO errechnet sich ein Durchschnitt von 11 Prozent.

Die Finanztransaktionssteuer

Elf EU-Staaten wollen bis 2016 gemeinsam die Finanztransaktionssteuer (FTS) einführen. Eine kleine Abgabe auf den Handel mit Finanzprodukten (wie Aktien, Anleihen und Derivate) kann nach konservativen Berechnungen alleine in Deutschland jährlich 17,6 Milliarden Euro einbringen. Neueste Studien sprechen gar von bis zu 44 Milliarden Euro jährlich. Zum Vergleich: Der gesamte Haushalt des Entwicklungsministeriums liegt 2016 voraussichtlich bei lediglich 7,4 Milliarden Euro.

Für die Bundesregierung bietet die FTS ein zusätzliches Instrument, um das 0,1%-Ziel zu erreichen und die UN-Verpflichtung zu erfüllen, 0,7% des BNE für EZ bereitzustellen. Um die FTS bald zu realisieren, muss
Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Hollande zügig Einigungen zu Einführungsmodalitäten voranbringen. Im Bündnis „Steuer gegen Armut“ fordert die deutsche Zivilgesellschaft die Mittel so aufzuteilen, dass ein Drittel zur Erhöhung der Entwicklungsfinanzierung, ein Drittel für den internationalen Klimaschutz und ein Drittel für soziale Ausgaben in Deutschland und Europa verwendet wird. Gemeinsam mit Präsident Hollande sollte Kanzlerin Merkel dieser Aufteilung folgen und unmissverständlich ankündigen, dass aus der FTS ein an gemessener Anteil der globalen Gesundheit zugutekommt.

Hier finden Sie in Kürze einen Bericht des Aktionsbündnis gegen AIDS und weiteren europäischen Organisationen zur Finanztransaktionssteuer und dem Appell, einen Teil der Mittel für die Finanzierung des Globalen Fonds zu verwenden.

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024