Klimawandel und globale Gesundheit
Hintergrundbeitrag mit Cecilia Senoo aus Ghana "Der Klimawandel wird nicht verschwinden, sondern bleiben“
Wie der gesamte afrikanische Kontinent ist auch Ghana vom Klimawandel im besonderen Maße betroffen. Mit den steigenden Temperaturen schlagen die Regen- und Trockenzeiten zunehmend in Extreme um. Das verursacht nicht nur sozioökonomische Schäden, sondern hat auch Folgen für die Gesundheitslage, wie Cecilia Senoo erläutert. Sie ist seit April 2023 Mitglied der NGO-Delegation der Entwicklungsländer im Verwaltungsrat des Globalen Fonds. Wir bedanken uns bei Axel Schock für den Text, der auf der Basis eines aufgezeichneten Interviews des Aktionsbündnis gegen AIDS mit Cecilia Senoo erstellt wurde.
Ghana gehört zu den Ländern mit besonders hoher Zahl an Malariafällen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums des westafrikanischen Staates wurden Jahr 2021 knapp sechs Millionen Infektionen registriert, 275 Menschen starben an den Folgen.
Doch das Land am Golf von Guinea konnte in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte bei der Malariabekämpfung erreichen: die Inzidenz ist sukzessive gefallen.
Cecilia Senoo jedoch ist beunruhigt. „Alle Fortschritte, die wir im Bereich der öffentlichen Gesundheit gemacht haben, sind dabei zu erodieren und wir müssen wieder von vorn beginnen“, sagt die Gründerin und Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation Hope for Future Generations.
Laut dem Ghana Climate Change Report des The Foreign Agricultural Service (FAS) der US-Regierung wird sich der Klimawandel auf vielfältige Weise auf das Land auswirken.
Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürren und Stürme nehmen zu
Expert*innen prognostizieren demnach einen Anstieg des Meeresspiegels sowie Dürren, steigende Temperaturen und unregelmäßige Niederschläge, was sich negativ etwa auf die Infrastruktur, die Wasserkraftproduktion wie auch auf die Ernährungssicherheit auswirke.
In jüngster Vergangenheit sind etwa in der Hauptstadt Accra durch verheerende Überschwemmungen zahlreiche Häuser zerstört worden und Menschen ums Leben gekommen. In vielen Küstenorten beginnen sich die Küstenlinien zurückzubilden.
Das wirkt sich bereits jetzt auf die provisorisch gebauten Siedlungen und Elendsviertel an den Stadträndern aus, in denen unter anderem auch viele Migrant*innen aus dem In- und Ausland leben. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Accra lebt in solchen informellen Siedlungen. Die Bewohner*innen haben dort nicht nur eingeschränkten Zugang zu einigen der grundlegendsten sozialen Errungenschaften wie einer funktionierenden Abfallentsorgung, sie sind durch das verschmutze Wasser zudem auch verstärkt Krankheiten ausgesetzt. Doch dies ist nur einer der vielen Aspekte, wie sich der Klimawandel auf die Gesundheitslage der Menschen im Land auswirkt.
So nimmt bereits jetzt die Zahl der Malaria-Infektionen deutlich zu, wie Cecilia Senoo deutlich macht. Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen haben dabei aufgrund einer geringeren Immunität ein besonders hohes Risiko schwer an Malaria zu erkranken.
Der Anstieg von Infektionskrankheiten ist direkt auf den Klimawandel zurückzuführen
„Wir sehen einen Anstieg aller Infektionskrankheiten, und wir können die Ursache direkt auf den Klimawandel zurückführen“, erklärt die NGO-Delegierte im Verwaltungsrat des Globalen Fonds. So können sich Moskitos unter den verändernden klimatischen Bedingungen besonders gut vermehren. Die Verbreitung von Malaria, die in Ghana endemisch ist und ganzjährig übertragen wird, wird dadurch zusätzlich begünstigt.
Aber auch die Tuberkulose wird zu einer wachsenden Gefahr. Die rund 32 Millionen Menschen in Ghana haben bereits jetzt mit einer erheblichen Tuberkulosebelastung zu kämpfen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten im Jahr 2021 schätzungsweise 45.000 Menschen und 15.700 Menschen starben im selben Jahr an der Krankheit, deren Erreger durch die Luft übertragen werden kann. Die veränderten klimatischen Bedingungen verstärken die Infektionsgefahr, weiß Cecilia Senoo.
Infolge dessen sei bereits jetzt eine deutliche Zunahme an Infektionen wie auch an Mulitresistenzen zu verzeichnen.
In vielen Ländern Westafrikas, insbesondere in Ghana, haben die Veränderungen bei den Temperaturen und Niederschlagsmustern zu einer zunehmenden Häufigkeit und Intensität von extremen Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Dürren und Stürmen geführt. Diese haben enorme Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktivität in den ohnehin armen ländlichen Gebieten. Beispiel Kakaoanbau: Durch die sich verändernden klimatischen Bedingungen hat sich eine durch Badnaviren ausgelöste Krankheit ausgebreitet, die die Kakaobäume absterben lässt. Zudem mussten in den letzten Jahren viele Landwirt*innen aufgrund der Wetterschwankungen immer mehr mit unkontrollierbaren Ernteausfällen rechnen. Die erzielten Gewinne aus dem Anbau reichen deshalb oftmals nicht mehr für den Lebensunterhalt aus.
„Der Klimawandel trifft dadurch die ohnehin bereits benachteiligen Bevölkerungsgruppen und verstärkt dadurch Ungleichheit in der Welt, gerade auch in den Ländern der Subsahara“, erklärt Cecilia Senoo.
So fällt es etwa Menschen mit HIV oder anderen Erkrankungen nicht nur finanziell schwerer, die entfernt liegenden medizinische Behandlungszentren aufzusuchen; auch die Verkehrsinfrastruktur ist für die externen Wetterereignisse nicht ausgebaut.
Ohne stabile Gesundheitssysteme können die Herausforderungen nicht bewältigt werden
Nicht zuletzt verstärkt die Armut auch die Landflucht und die Überbevölkerung in den Städten, deren Infrastruktur nicht darauf ausgerichtet sind – was zu schlechten Lebensbedingungen und zur Übertragung der Tuberkulose beiträgt.
Organisationen, die sich um die gesundheitliche Versorgung von benachteiligten Menschen kümmern, geraten zunehmend an den Rand ihrer Möglichkeiten. „Wir arbeiten natürlich mit der Regierung auf verschiedenste Weise zusammen. Die meiste Zeit wenden wir jedoch damit auf, uns direkt um die Menschen zu kümmern, die unsere Hilfe benötigen“, schildert Cecilia Senoo die aktuelle Situation. „Aufgrund der schwindenden Ressourcen, wird es jedoch immer schwieriger für die Zivilgesellschaft und die Conmunitys, diese wachsenden Aufgaben erfüllen zu können.“
Seit bereits mehr als 25 Jahren arbeitet Cecilia Senoo in verschiedenster Funktion im Gesundheitswesen und für unterschiedlichste Nichtregierungsorganisationen. Sie weiß daher auch sehr genau, welche Bedarfe bestehen und wie die bestehenden Strukturen zum Wohl der Menschen weiter ausgebaut werden müssen.
Doch der Globale Fond habe mehr und mehr Schwierigkeiten, Geldgeber zu mobilisieren, erklärt Cecilia Senoo, die 2023 in den Vorstand des Globalen Fonds gewählt wurde. „Viele Länder sehen sich aufgrund höherer Aufwendungen im eigenen Lande – auch infolge des Klimawandels - nicht mehr in der Lage, den Fond in höherem Maße zu unterstützen.“
Sie ist sich jedoch sicher, dass die meisten Organisationen der Zivilgesellschaft über die richtigen und notwendigen Strategien verfügen, um auf kommunaler wie nationaler Ebene auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren und die Menschen unterstützten zu können.
Dazu gehöre auch: das Bewusstsein zu schaffen und aufzuklären über den menschengemachten Klimawandeln und die Umweltzerstörung.
„Wir müssen uns als Interessenvertretungen bemühen, dass die Regierungen selbst mehr Geld bereitstellen, um in der Gesellschaft auf diese Veränderungen reagieren zu können“, sagt Cecilia Senoo. „Und dies bedeutete nicht zuletzt die Unterstützung von Menschen mit HIV, Malaria und Tuberkulose sowie all den Schlüsselgruppen, mit denen wir in unseren Ländern jeweils arbeiten.“
„Es gibt so viele weitere tropische Krankheiten, bei denen wir nicht wissen, wie sie sich infolge des Klimawandels entwickelt werden.“
Denn: „Der Klimawandel wird nicht verschwinden, sondern bleiben“, betont Cecilia Senoo. „Je früher wir die Bedarfe ermitteln, Lösungsansätze formulieren und Partnerschaften schmieden, desto besser.“
Was der Klimawandel bringen wird, zeichnet sich in Teilen jetzt schon ab. „Wir wissen aber nicht, ob wir nicht eines Tages mit einer neuen Krankheit konfrontiert werden, die viele Menschenleben kosten wird“, befürchtet Cecilia Senoo. „Es gibt so viele weitere tropische Krankheiten, bei denen wir nicht wissen, wie sie sich infolge des Klimawandels entwickelt werden.“ Corona habe mehr als deutlich gezeigt, wie unvorbereiteten viele Länder waren, auf eine solche neue globale Gefahr angemessen zu reagieren.
Nicht nur die Regierungen, sondern auch die Zivilgesellschaft und Communitys sind ihrer Ansicht nach deshalb herausgefordert, Krankheiten wie COVID-19, HIV, Tuberkulose und Malaria jetzt und in Zukunft, auch unter möglicherweise erschwerten Bedingungen einzudämmen. „Es ist an der Zeit, dass nationale Mittel so angehoben werden, damit die notwendigen Maßnahmen sichergestellt und nachhaltige Gesundheitsstrukturen aufgebaut werden können“, sagt Cecilia Senoo.
Berlin, Oktober 2023
Text: Axel Schock
Foto: Alexej Stoljarov
Kontakt: info@aids-kampagne.de