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Tuberkulose in Indonesien

Interview mit Meirinda Sebayang: Ohne die vom Globalen Fonds ermöglichten Programme wären wichtige Schlüsselgruppen weiterhin ohne Unterstützung

Meirinda - Foto  Peter Wiessner

Meirinda Sebayang ist eine HIV- und TB-Aktivistin aus Jakarta, Indonesien, die MDR-TB überlebt hat. Meirinda setzt sich für die Rechte der Frauen in Indonesien ein und ist eine Fürsprecherin für die Belange der Schlüsselgruppen der Bevölkerung. Seit mittlerweile über eineinhalb Jahrzehnten setzt sich Meirinda in Indonesien für die Rechte und die Gesundheitsversorgung von Menschen mit HIV und Tuberkulose ein. Entscheidende Verbesserungen, sagt sie, sind nur möglich, wenn das Gesundheitssystem ausgebaut, aber auch die Community in Gesundheitsfragen gestärkt wird. Der Text dieses Features basiert auf einem Interview das wir im April 2022 mit Meirinda Sebayang führen konnten. Wir haben dieses Interview zur Vorbereitung unserer Konferenz „Get back on track! Der Beitrag des Globalen Fonds zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030“ geführt, die wir am 08. September 2022 mit Partnerorganisationen realisieren. Thema des Interviews waren der Zugang zu Tuberkulosebehandlung, Stigma und Diskriminierung von Menschen mit Tuberkulose, sowie die Bedeutung der Stärkung von Strukturen und Systemen, die Menschen mit Tuberkulose und deren Communities für sich geschaffen haben. Es ist wichtig die Arbeit mit Communities als wesentlichen Teil der Gesundheitssystemstärkung aufzufassen. Indonesien richtet in 2022 den G20 Gipfel aus. Auch deshalb haben wir die Möglichkeit mehr aus dem Land zu erfahren gerne aufgegriffen. Wir bedanken uns bei Axel Shock für den Text und bei Meirinda Sebayang für die Bereitschaft sich unseren Fragen zu stellen. Am 08. September 2022 veranstalten wir mit Partnerorganisationen in Berlin eine Konferenz während der wir in der Session zu Tuberkulose mit Vertreter*innen der STOP TB Partnership und Tuberkulose Aktivist*innen diese Fragen vertiefend diskutieren. Zur Anmeldung und zum Programm der Konferenz geht es hier: https://forms.gle/c9bfxmVit9tyn31cA

Es sind Platzierungen, die ihrem Heimatland wenig Ehre machen. Für Meirinda Sebayang sind sie ein wichtiger Antrieb ihrer Arbeit: So steht Indonesien global an dritter Stelle, was die Zahl der mit Tuberkulose geborenen Kinder angeht. In Sachen multiresistenter Tuberkulose nimmt das südostasiatische Land im weltweiten Vergleich einen unrühmlichen 5. Platz ein.

Für Meiranda, die als Vornamen Mei bevorzugt, sind dies nicht einfach nur Zahlen und Statistiken. Sie weiß aus eigenem Erleben, was eine Tuberkulose bedeutet. Denn 2006 wurde bei ihr selbst die Infektionskrankheit diagnostiziert, und sie musste zudem die Folgen von Multiresistenzen erleiden. „Dies war eine grauenvolle Erfahrung“, erzählt sie. Aber für sie sei es einer Offenbarung gleichgekommen: „Ich habe dadurch gesehen, wie viel vor allem in Indonesien noch zu tun ist, um anderen Menschen diese Erfahrung zu ersparen.“

Mythen zu TB halten sich hartnäckig

Ein grundlegendes Problem sei, dass die Krankheit in der Gesellschaft immer noch ignoriert werde und sich Mythen hartnäckig halten. Etwa jene, dass die Tuberkulose nur arme Menschen betreffe, Menschen in ländlichen Regionen oder solche mit risikobehafteten Lebensweisen wie etwa Inhaftierte oder Drogenabhängige.

Mei Sebayang hatte damals sehr schnell beschlossen, sich in der Tuberkulosearbeit einzubringen und half in Jakarta bei der Versorgung und Unterstützung von Erkrankten. „Doch ich habe gemerkt, dass größere Veränderungen nur zu schaffen sind, wenn ich mich bei Interessenvertretungen engagiere.“ Und das tut Mei Sebayang, die auch mit HIV lebt, seit nunmehr über 15 Jahren mit großem Erfolg.

So hat die Juristin und Absolventin eines Public-Heath-Masterstudiums die Organisation Jaring Indonesia Positif (JIP) mit aufgebaut, ein nationales Netzwerk für Menschen, die mit HIV/Aids leben. Sie arbeitet außerdem für die Spiritia Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit HIV und ihren Familien einsetzt, und sie ist im Vorstand der Tuberkulose-Initiative "Stop TB Partnership Indonesia". Und nicht zuletzt ist sie seit 2018 führendes Mitglied des Country Coordinating Mechanism (CCM) des Globalen Fonds.

Strukturmerkmal der Programme des Globalen Fonds:  Communities und Regierung sitzen am gleichen Tisch

Für Mei Sebayang ist dieses nationale Koordinationsgremium, das für die Programme des Globalen Fonds auf Länderebene ein wesentliches Strukturmerkmal darstellt, eine entscheiden strategische Plattform. Denn es ermöglicht, dass Vertreter*innen der Community nun direkt mit der Regierung, zu religiösen Führungspersonen und anderen, politischen sowie gesellschaftlichen Schlüsselakteuren in Gesundheitsfragen sprechen könne.

Ohne die vom Globalen Fonds ermöglichten Programme, betont Sebayang, wären gerade die marginalisierten Gruppen und damit wichtige Schlüsselgruppen weiterhin fast ohne Unterstützung. Konkret benennt sie Drogengebraucher*innen, Transgender und Sexarbeiter*innen, sowie Menschen, die an HIV und Tuberkulose erkrankt sind, Inhaftierte und MSM, also Männer, die Sex mit Männern haben.

„Diese Menschen werden kriminalisiert und stigmatisiert. Kulturell bedingt oder aufgrund durch bestehende Geschlechternormen hatten diese Menschen nur unzureichend oder gar keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten.“ Das habe sich erst durch den Globalen Fonds geändert. Inzwischen stehe dadurch einen hohen Prozentsatz der indonesischen Bevölkerung, die mit HIV, Tuberkulose oder Malaria lebten – inklusive der Schlüsselgruppen, der Weg zu einer Gesundheitsversorgung offen. Dies allein aber reiche nicht aus. „Wir müssen auch ein Bewusstsein schaffen für Behandlungsmöglichkeiten wie auch Prävention und für das Unterstützungssystem.“

Indonesische Zivilgesellschaft zu einer wichtigen Stimme geworden

Die indonesische Zivilgesellschaft sei, auch durch die internationale Unterstützung, zu einer wichtigen Stimme gerade in Fragen der Gesundheitsversorgung geworden. „Die deutsche Regierung hat maßgeblich HIV-Programme in Indonesien finanziert, und der Erfolg ist enorm. Die Zahl der HIV-Tests ist ebenso gestiegen wie die der Menschen, die mit HIV leben und in Therapie sind“, erläutert Mei Sebayang. „Doch wir sind auch weiterhin auf die Unterstützung des Global Fonds angewiesen“, betont sie. Denn von Indonesien selbst könne sie nicht viel erwarten. „Bislang sind unsere Bemühungen, staatliche Förderung zu erhalten, gescheitert.“ Deshalb hoffen Mei Sebayang und ihre Mitstreiter*innen, dass bei der Auffüllrunde des Globalen Fonds eine ausreichende Finanzierung zustande kommt. Zum Beispiel, um die Community, regionale Initiativen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen auch strukturell weiter zu stärken. „Denn um landesweit agieren zu können, müssen wir auch lernen, wie wir unsere Interessen besser vertreten und wie wir unsere Botschaften auf strategisch beste Weise vermitteln können.“

Nur so könne gemeinsam die Stärke entwickelt werden, die notwendig sei, um mit der Regierung auf landesweiter Ebene und auf Augenhöhe zu verhandeln. Und das sei dringlicher denn je. „Wenn wir die nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030 erreichen wollen, brauchen wir auch von der deutschen Regierung einen größeren Beitrag für die 7. Wiederauffüllungskonferenz, um die Welt zu einer besseren machen zu können.“

Zur Person:  Meirinda Sebayang, Indonesien - Vorsitzende von Jaringan Positif Indonesia (Netzwerk Positives Indonesien); Mitglied des Länderkoordinierungsmechanismus (CCM) und Vorsitzende der technischen HIV-Arbeitsgruppe des CCM; Mitglied der Gemeinschaftsdelegation im Vorstand der Stop-TB-Partnerschaft. Meirinda Sebayang ist eine HIV- und TB-Aktivistin aus Jakarta, Indonesien, die MDR-TB überlebt hat. Meirinda setzt sich für die Rechte der Frauen in Indonesien ein und ist eine Fürsprecherin für die Belange der Schlüsselgruppen der Bevölkerung.

Text: Axel Schock

Interview: Melanie Otto und Peter Wiessner

Foto: Peter Wiessner

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024