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Bericht zum 42. UNAIDS PCB Meeting

26.-28.06.2018 - Genf

PCb Genf Unaids loiz loures Aids Tuberkulose HIV Meeting

Bericht der Teilnahme als Community Beobachter für das Aktionsbündnis. Aus Deutschland anwesend waren Silke Klumb (DAH) und Ferenc Bagyinszky (AAE/NGO Delegation). Für die deutsche Regierung vertreten waren Ines Perea und Mitarbeiter_innen der GiZ. Als registrierter Community Observer nahm Peter Wiessner an den Vortreffen und den täglichen Nachtreffen der NGO Delegation teil. Während des PCB Meetings fand ein Austausch mit Andreas Zeidler (unser Ansprechpartner bei UNAIDS), Timothy Martineau (stellvertretender UNAIDS Direktor und Nachfolger von Luiz Loures), mit Michel Kazatchkine (Sonderberater für das HIV/AIDS Programm der Vereinten Nationen (UNAIDS) und mit Lucica Ditiu (Executive Direktor STOP TB Partnership) statt.

Eröffnung des PCB Meetings, Arbeitsmodell, Erreichtes, Herausforderungen

Einige Schlaglichter der ersten zwei Tage des PCB Meetings: 

  • Die Arbeit von UNAIDS ist derzeit in 71 Ländern in sog. „Country envelops“ organisiert. Ein Problem ist nach wie vor die unzureichende Teilnahme der Zivilgesellschaft, es wird nach Mechanismen gesucht diese nachhaltig zu verbessern
  • Die Performance einiger „fast-track“ Länder hinkt den Erwartungen hinterher 
  • Global sind 21 Mio. Personen  unter Behandlung, das sind zum ersten Mal mehr als die Hälfte der mit HIV lebenden Menschen , von den Behandelten haben 82% eine Viruslast unter der Nachweisgrenze; 16 Mio. Menschen mit HIV haben immer noch keinen Zugang zu HIV Therapien
  • Rückgang der HIV-Neuinfektionen in Subsahara Afrika um beinahe 50% seit 2000
  • Zunahme der HIV-Neuinfektionen in Osteuropa und Zentralasien um 60% seit 2010
  • In Subsahara Afrika finden 67% aller HIV-Neuinfektionen unter Jugendlichen statt (15-24 Jahre)
  • Große Lücken in der Behandlungskaskade für junge Männer und Jungs (siehe Blind Spot Report: http://www.unaids.org/en/resources/docum...)
  • Es muss mehr für Primärprävention getan werden: UNAIDS startete eine globale Kampagne „Roadmap for Prevention“ (siehe: http://www.unaids.org/en/resources/docum...)
  • Global berichten 20% aller Menschen mit HIV von Diskriminierungserfahrungen in Health Care Settings!
  • AIDS breiter denken: wie gestaltet sich die Kooperation in der SDG Ära; wie können Synergien mit Partnern besser ausgeschöpft werden (TB, STIs etc.)
  • Einige Länder erhöhten UNAIDS Förderung: Ghana, Elfenbeinküste, Argentinien
  • Gute Zusammenarbeit mit der IOM (International Organisation of Migration) und anderen UN Institutionen,
  • Memorandum of Understanding zwischen UNAIDS und dem GF verdeutlicht eine engere Zusammenarbeit
  • Das Gebäude des Globalen Fonds steht jetzt in unmittelbarer Nähe zu UNAIDS; STOP TB Partnership und GAVI (Impfallianz) befinden sich mit dem GF in dem gleichen Gebäude (Synergien sind zu erwarten)
  • Ein „Transparenz Portal“ soll zu einer besseren Transparenz über die Ausgaben, Arbeitsweise und Kommunikation von UNAIDS beitragen. Links zum Portal: https://open.unaids.org/
  • In einigen Regionen wurde kaum etwas erreicht: Prävention in Osteuropa, junge Frauen, West und Zentralafrika, MCTC (Mutter-Kind Übertragung) in manchen Regionen nach wie vor ein großes Problem
  • Malawi: Lebenserwartung von 38 Jahren (1988) auf derzeit 62 Jahren gestiegen
  • Belarus: stellt Generika im Land her
  • Zimbabwe: HIV Prävalenz in Gefängnissen liegt bei 28% (14% in der Gesamtbevölkerung, Verweis auf Blind Spot Bericht)
  • Brasilien: 830.000 Menschen mit HIV leben im Land, PrEP wurde eingeführt
  • Derzeit nehmen 250 Städte an der Fast-Track City Initiative teil.  

Update zu Aufarbeitung und Umgang mit sexueller Belästigung bei UNAIDS

In den vergangenen Monaten hat es einige, teilweise reißerische und kritische Artikel internationaler Zeitungen mit Kritik des UNAIDS-internen Umgangs mit #metoo Vorwürfen gegeben. Bekanntlich wurde der Vertrag des stellvertretenden Direktors Luiz Loures nicht verlängert. Michel Sidibé, Direktor von UNAIDS, wird vorgeworfen, die Vorwürfe zu lange nicht adäquat verfolgt und damit den ehemaligen stellvertretenden Direktor von UNAIDS, Loures gedeckt, zu haben.

UNAIDS hat einen 5 Punkte Plan für den weiteren Umgang mit dem Thema entwickelt. Der Plan wurde vorgestellt und diskutiert. Es wird ein unabhängiges Gremium etabliert, das die aktuellen Vorwürfe in Bezug auf sexuelle Belästigung und Missbrauch, als auch die internen UNAIDS-Politiken der letzten 7 Jahre untersucht und bis zum nächsten PCB im Dezember Empfehlungen ausspricht. Danach soll entschieden werden, wie weiter vorgegangen wird. Dem vereinzelt zu hörenden Stimmen aus social media - allen voran von der AIDS Healthcare Foundation (AHF) - und einigen Zeitungen, dass die Führung von UNAIDS ausgetauscht werden müsse, wollte sich im Plenum niemand anschließen. Es gibt Strukturen die Fehlverhalten ermöglichen: diese müssen identifiziert werden, erst danach sollte es um die Frage gehen, ob Führungspersonal ausgetauscht werden sollte. 

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema wurde mit Spannung erwartet, der Druck der auf der Führung von UNAIDS lastet, war deutlich spürbar. Ebenso spürbar war auch, dass die versammelten Regierungsvertreter, Geldgeber und die Zivilgesellschaft mit dem eingeschlagenen Weg des Umgangs damit soweit zufrieden sind. Es wurde glaubhaft versichert, dass die Aufarbeitung der Angelegenheit wirklich unabhängig geschieht und dass die Führung von UNAIDS keinen Einfluss auf irgendwelche Empfehlungen nehmen wird.

Eine der sicherlich besten Interventionen während des Austauschs kam von Ferenc Bagyinszky von der NGO Delegation:  das Thema sexuelle Gewalt sei nicht ein Thema, das von der eigentlichen Arbeit von UNAIDS ablenke, sondern, ganz im Gegenteil, als eine der Grunderfahrungen vieler Menschen mit HIV, für die aufrichtige Arbeit von UNAIDS (und uns allen) von zentraler Bedeutung.

Mitarbeiter_innen von UNAIDS wehrten sich in einem offenen Brief gegen die teilweise sexistische und diskriminierende Darstellung der Thematik in einigen Medien, die mit der Realität der Arbeit bei UNAIDS vor Ort nichts zu tun habe. Man hofft sehr, dass diese, gegen UNAIDS gerichtete Kampagne bald ein Ende findet, und man sich wieder mit Freude und Engagement der eigentlichen Arbeit widmen kann.

Insgesamt zeigte der halbtägige Austausch einen starken Rückhalt für UNAIDS, dessen Führung und den eingeschlagenen Weg der Aufarbeitung: es wurde deutlich, dass sich UNAIDS nicht nur zur Schadensbegrenzung glaubhaft der Aufarbeitung widmet. Da Vorfälle sexueller Gewalt und Macht- bzw. Amtsmissbrauch immer wieder auch in anderen UN Institutionen auftreten, kommt UNAIDS, als UN Institution, in der offensiven Aufarbeitung eine Vorreiterrolle zu.

AIDS Healthcare Foundation (AHF)

Den absoluten Tiefpunkt in der Diskussion stellte die Intervention der AHF dar, die überdeutlich werden ließ, dass es dieser Organisation ausschließlich darum geht dieses Thema medienwirksam auszuschlachten. AHF hatte vor dem PCB Meeting zu eine Pressekonferenz geladen und am ersten Tag des Treffens vor dem UNAIDS Gebäude eine Demonstration mit ca. 15 Personen  bestehend aus Mitglieder_innen und Funktionär_innen von AHF organisiert.  

AHF gibt sich gerne als NGO und Community-freundlich aus, ist aber ein global agierender Betrieb, der durch den Aufbau von Apotheken und den Vertrieb überteuerter HIV Medikamente Milliardenbeträge erwirtschaftet. AHF finanziert etwa die Hälfte des Budgets der WHO. Dazu noch einmal ein überaus lesenswerter Beitrag in der New York Times.

Vor dem PCB Meeting fiel AHF durch eine Kampagne mit wöchentlichen Rücktrittsforderungen an Michel Sidibé (UNAIDS) auf, kulminierend in die Forderung: „Sidibé muss weg“. In der Vergangenheit sah sich auch der vormalige Global Fund Direktor Mark Dybul Rücktrittsforderungen durch AHF ausgesetzt (damals ging es um das Thema Hilfe für Venezuela).

Während der Diskussion hielt eine Funktionärin von AHF einen Redebeitrag, der noch einmal für alle deutlich belegte, dass es bei den Aktionen von AHF nicht um einen sachlichen und gemeinsamen Diskurs zu wichtigen Fragen, sondern um die Kannibalisierung von Konflikten geht. Nach einer ganztägigen Diskussion bei der Vertreter_innen von Regierungen, UNAIDS und Zivilgesellschaft gemeinsam für einen passenden Umgang mit sexueller Belästigung, deren Prävention und Aufarbeitung diskutierten und alle Fragen auf den Tisch lagen,  war die Intervention der anwesenden AHF-Funktionärin schlichtweg inakzeptabel, peinlich und für die Organisation enttarnend.

So darf vermutet werden, dass es AHF um nichts anderes, als die Schwächung von anerkannten multilateral tätigen Entitäten (wie UNAIDS und Globaler Fond) geht, die dem eigenen Businessmodell im Weg stehen. UNAIDS und der Globale Fond verkörpern mit den Prinzipien der Community-Teilnahme, des gleichberechtigten Umgangs (auf Augenhöhe) und der Kooperation, Philosophien, die den Handlungsweisen von AHF diametral entgegenstehen. Ein weiterer Grund für diese Aktionen liegt sehr wahrscheinlich auch darin von eigenen Rechtstreitigkeiten und Rücktrittsforderungen abzulenken, denen Weinstein, der Gründer von AHF, fortwährend ausgesetzt ist.

Thematisches Segment: Tuberkulose und AIDS

Der 3. Tag des Treffens stand des Themas Tuberkulose und TB als HIV Co-Infektion im Mittelpunkt.

UNAIDS Direktor Michel Sidibé betonte zur Eröffnung, wie sehr sich HIV- und TB Advocacy Arbeit gegenseitig ergänzen könnten und nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten sollten:

"if bacteria and virus combine together to kill people the Civil Society and stakeholders movement need as well work together“.

Mit diesem wunderbaren Zitat fordert Sidibé eine bessere Zusammenarbeit zwischen den HIV und TB Communities. Parallelstrukturen seien nicht länger zu dulden, da sie letztendlich Menschenleben fordern und Geld kosten, welches für andere Zwecke verwendet werden könnte. Politisches Engagement und Kooperation sind nötig, um das TB UN HLM im September zum Erfolg zu führen. Die Rolle der Zivilgesellschaften aus den beiden Bereichen TB/HIV wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

Während des Treffens wurde das Thema TB aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert: die Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Abschlussdokument; die Rolle des Globalen Fonds. Die Erwartungen an das HLM sind hoch. Um bis 2030 TB beenden zu können, wie in den nachhaltigen Entwicklungszielen festgehalten, ist mehr notwendig, als das was bisher getan wird. TB Screening unter Menschen mit HIV muss verbessert werden, eine bessere Integration von Serviceanbietern (Tb, HIV, HCV) ist nötig: als best practice examples wurden sogenannte One-Stop-Shop initiativen vorgestellt und diskutiert.

Vor dem PCB Meeting hatten wir unseren Ansprechpartnern von UNAIDS und der STOP TB Partnership das Positionspapier zu TB der deutschen Zivilgesellschaft mit den zentralen Forderungen für das HLM zur Verfügung gestellt. 

Kontakt mit der NGO PCB Delegation

Während und vor dem PCB Meetings fand ein reger Austausch mit den Mitglieder_innen der NGO Delegation statt. Die NGO Delegation besteht aus 20 Mitglieder_innen, die maximale Zeitdauer der Mitgliedschaft beträgt zwei bzw. drei Jahre. Die NGO Delegation erarbeitet zum nächsten PCB Meeting einen Bericht zur besonderen (HIV-) Vulnerabilität von Migrant_innen, Geflüchteten und anderen „people on the move“. Bei dem Nachtreffen mit der NGO Delegation am ersten Tag fand noch einmal ein Austausch zu der Diskussion im Plenum zu sexueller Belästigung statt, an der auch AHF teilnahm. Als externe NGO Beobachter_innen nutzten wir die Gelegenheit der direkten Konfrontation mit der Vorgehensweise von AHF. Da die Mitgliede_innen der NGO Delegation die Interessen aller Communities zu vertreten haben (AHF maskiert sich als Community), war es nur externen NGO Beobachter_innen möglich, deutliche Kritik hörbar werden zu lassen.

Link zu den Dokumenten des UNAIDS PCB Meetings: http://www.unaids.org/en/whoweare/pcb/42

Bericht: Peter Wiessner, Juli 2018

Kontakt: wiessner@aids-kampagne.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024