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Pressemitteilung

Enttäuschende Ergebnisse des Gipfelmarathons der Vereinten Nationen zu den Herausforderungen der globalen Gesundheit!

Foto: „Strawberry Fields“, Central Park, New York. Gedenkort zur Erinnerung an John Lennon - Foto Peter Wiessner

Am heutigen Freitag geht bei den Vereinten Nationen in New York eine Woche zu Ende, die die Weltgemeinschaft so noch nicht gesehen hat: gleich vier aufeinanderfolgende Gipfeltreffen waren anberaumt, um während der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Fragen und Herausforderungen der globalen Gesundheit zu diskutieren. Bei den Treffen handelte es sich um den SDG-Gipfel, der die Halbzeit der 2015 durch die Staatengemeinschaft beschlossenen 17 nachhaltigen Entwicklungsziele markierte, den Gipfel zu Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion, um die richtigen Lehren aus den Folgen der COVID-19-Pandemie zu ziehen, das hochrangige Treffen zu allgemeiner Gesundheitsversorgung (UHC) sowie das Gipfeltreffen zu Tuberkulose.

Gemeinsames Ziel dieser Treffen: richtige Weichenstellung zur Bewältigung der akuten gesundheitsbezogenen Herausforderungen bis 2030! In monatelangen Prozessen wurden Deklarationen erarbeitet, die, so die Hoffnung der internationalen Zivilgesellschaft, so konkret wie möglich sein sollten: frühere Beschlüsse sollten bekräftigt, neue strategische Ansätze festgelegt, konkrete Umsetzungsschritte benannt, Verantwortlichkeiten bestimmt und deren Finanzierung garantiert werden.

Die Ergebnisse der Gipfeltreffen bleiben jedoch weit hinter diesen Erwartungen zurück. Verabschiedet wurden schwache Erklärungen, die nichts anderes als einen Minimalkonsens der involvierten Staatengemeinschaft darstellen. Erklärungen, die niemanden weh tun und der Bewältigung der multiplen Problemlagen keineswegs gerecht werden. Dass es überhaupt zu einer Verabschiedung der Deklarationen kam, galt bis zu Beginn der Treffen alles andere als gesichert: Russland hatte noch am Vortag der Gipfeltreffen, im Schulterschluss mit einigen wenigen Staaten seines Einflussbereichs, angedroht, die Verabschiedungen zu boykottieren. Ihre Stimmen seien bei den Verhandlungen ignoriert worden, wurde in dem Schreiben behauptet.

„Bedauerlicherweise ist das Gegenteil davon richtig“, sagt Sylvia Urban, Sprecherin des Aktionsbündnis gegen AIDS, „den Kräften, die konservative Wertvorstellungen propagieren, wurden zu viele Zugeständnisse gemacht. Natürlich gibt es Unterschiede bei Vorstellungen in Bezug auf Familie, die Rechte von Frauen, die Wahrnehmung sexueller Identitäten und den Stellenwert und die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. Aber vulnerable Gruppen nicht mehr benennen, geht zu weit!“  

In der Abschlusserklärung zu UHC findet sich keine Benennung, der für die HIV-Prävention besonders relevanten Zielgruppen, wie Männer, die Sex mit Männern haben, anderer LGBTIQ+ Communities, Drogengebrauchende und Sexarbeiter*innen. Offensichtlich haben sich hier jene Staaten durchgesetzt, die den Vertreter*innen dieser Gruppen ihre Rechte und Bedarfe absprechen oder ihre Existenz leugnen.“ „So kann eine ‚Gesundheitsversorgung für alle‘ (UHC) nicht erfolgreich umgesetzt werden! Den Preis der Konsensfindung tragen die Gruppen, die von der Versorgung ausgeschlossen sind.“

„Eine weitere große Schwachstelle in den Erklärungen sind fehlende Konkretisierung und Finanzierung der einzelnen Vorhaben“, ergänzt Tilman Rüppel, Sprecher des Aktionsbündnis gegen AIDS. „Es bleibt bei unverbindlichen Absichtserklärungen zur weiteren Vorgehensweise und den erforderlichen finanziellen Mitteln. Eine Überprüfung der Umsetzung ist so nicht möglich. Der Rechenschaftspflicht wird so nicht entsprochen werden“, sagt Rüppel.

An dem Gipfel nahmen Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Bundeministerinnen Annalena Baerbock und Svenja Schulze teil. Das Fehlen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist bedauerlich, da auch dem BMG bei der Mitwirkung zur Lösung der Herausforderungen der globalen Gesundheit eine große Rolle zukommt. Leider brach die Bundesregierung darüber hinaus mit der Tradition, eine offizielle Delegation mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zusammenzustellen, obwohl sie mehrfach dazu aufgefordert wurde. Der Zivilgesellschaft wurde dadurch die Möglichkeit genommen, während der Treffen Forderungen zu artikulieren. Dies beweist, dass sich auch in Deutschland die Möglichkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements (Stichwort „Shrinking Spaces“) verringern.

„Nicht nur der Bundesgesundheitsminister fehlte in der deutschen Delegation – auch die deutsche Zivilgesellschaft war somit nicht vertreten. Anders als in früheren Jahren, in denen der Bundesregierung eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Delegation ein selbstverständliches Anliegen war, das durch ein transparentes Verfahren sichergestellt wurde. Das ist kein gutes Zeichen für die Bedeutung, die die Bundesregierung der Zivilgesellschaft momentan beimisst. Auch das geht so nicht!“, betonen Tilman Rüppel und Sylvia Urban, Sprecher*innen des Aktionsbündnis gegen AIDS.

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024