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„Queere Menschen haben Angst zum Arzt zu gehen“

Interview mit Edward Mutebi

Edward Mutebi, Photo Credit @Konrad Hirsch

Durch das neue „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ leben LGBTIQ* in Uganda in permanenter Lebensgefahr. Aber auch das Gesundheitssystem leidet enorm unter der verschärften Kriminalisierung von LGBTIQ*. Es wird befürchtet, dass ähnliche Gesetze in umliegenden Ländern umgesetzt werden mit erheblichen Auswirkungen auf das Menschenrecht auf Gesundheit und auf Programme des Globalen Fonds und PEPFAR. Wir bedanken uns bei Axel Schock für den Text und bei Edward Mutebi, Mitbegründer der LGBTIQ* Menschenrechtsorganisation "Let's walk Uganda", für seine Bereitschaft sich den Fragen zu stellen.

Es gilt als eines der queerfeindlichsten Gesetze der Welt. So drohen beispielsweise für „homosexuelle Handlungen“ langjährige Haft, und in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe. Wer von queeren Mitmenschen Kenntnis hat, ist nunmehr zur Denunziation gezwungen, andernfalls können diese Nachbar*innen, Vermieter*innen, Arbeiter*innen und andere nahestehende Personen zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. Die Folge: LGBTIQ* verlieren nicht nur soziale Bindungen, sondern auch Wohnung und Arbeitsplätze – und haben Angst, Arztpraxen oder Krankenhäuser aufzusuchen. Ein Gespräch mit dem Mitbegründer der LGBTIQ*-Menschenrechtsorganisation „Let’s Walk Uganda“, Edward Mutebi.

Das neue Gesetz kriminalisiert nicht nur Homosexualität als solche, sondern auch Personen und Gruppen, die sich für queere Menschen einsetzen, können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. Wie wirkt sich das auf die Gesundheitsversorgung aus?

Das Gesetz kriminalisiert damit auch Menschen oder Initiativen, die LGBTIQ* im Land unterstützen. Das betrifft letztlich alle Gesundheitsorganisationen, die ihre Dienste gezielt auch für LGBTIQ* anbieten, also beispielsweise The AIDS Support Organisation Uganda (TASO Uganda) oder die Most At Risk Population Initiative (M.A.R.P.I.).

Deren Arbeit wird nun eklatant eingeschränkt, denn die Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen sind nun gesetzlich verpflichtet, ihre Klient*innen den Behörden zu melden, wenn sie wissen, dass diese homosexuell oder transgender sind.

Die Menschen haben deshalb Angst, zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen.

Schon vor Verabschiedung des Gesetzes hatten LGBTIQ* nur begrenzt Zugang zur Gesundheitsversorgung. Deshalb ist die Community Bündnisse mit aufgeschlossenen Organisationen eingegangen – auf privater, öffentlicher wie auf politischer Ebene. Dazu gehörten auch Arztpraxen und Krankenhäuser. Durch das Gesetz sind diese wichtigen Partner der LGBTIQ*-Community nun gezwungen, ihre Verbindung und damit auch ihre Unterstützung aufzukündigen, da sie das Gesetz respektieren und einhalten müssen. Denn allein der Verdacht, dass sie mit der LGBTIQ*-Community in Verbindung gebracht werden, kann für sie schlimmste Folgen haben – bis hin zu Gefängnisstrafen.

Wie reagieren die Menschen aus der Community auf diese radikale Veränderung und Bedrohung?

Es herrschen Verunsicherung und vor allem Angst, und die ist berechtigt.

Transgender Personen wagen sich nicht einmal mehr aus dem Haus, um ärztliche Hilfe zu suchen. Es gab bereits den Fall, dass eine trans* Person in Kampala im Krankenhaus zusammengeschlagen, von Ärzten an die Polizei gemeldet und verhaftet wurde. Diese Person musste dann auch noch erdulden, dass von der Polizei erniedrigende Fotos vom Genitalbereich gemacht wurden.

Es war für LGBTIQ* immer schon schwierig, an HIV-Schutz wie Kondome und Gleitgel zu gelangen, das Gesetz macht es nun aber fast unmöglich. Das gilt auch die für medikamentöse Prävention durch Präexpositionsprophylaxe wie auch für die Postexpositionsprophylaxe.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass wir bald mit einem deutlichen Anstieg der HIV-Neuinfektionen rechnen müssen, insbesondere in der LGBTIQ*-Community.

Ist man sich im Gesundheitswesen dieser Folgen bewusst? Werden diese Auswirkungen des Gesetzes in der Öffentlichkeit diskutiert?

Ja, das ist in der Tat ein Thema. Vor allem aber, weil das Gesetz nicht nur die LGBTIQ*-Community einschränkt, sondern sich auf die Gesamtbevölkerung auswirkt. Und es ist zu erwarten, dass sich die HIV-Rate nicht nur unter schwulen Männern erhöhen wird.

Wie ist das zu erklären?

Im Kampf gegen HIV ist Uganda auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen, insbesondere aus den USA und deren Emergency Plan for AIDS Relief Programm (PEPFAR), wodurch unter anderem der Kauf von HIV-Medikamenten ermöglicht wird. Davon profitiert nicht nur LGBTIQ*-Community, sondern auch die Gesamtbevölkerung. Unmittelbar nachdem das Anti-Homosexualitäts-Gesetz verabschiedet worden war, wies US-Präsident Biden seine Sicherheitskräfte an, die Auswirkung des Gesetzes zu überprüfen und sämtliche Hilfe für Uganda auf den Prüfstand zu stellen, inklusive PEPFAR. Darüber wird breit diskutiert. Denn die Menschen wissen: Wenn westliche Staaten und Organisationen ihre Unterstützung einstellen, sind nicht nur der Gesundheitsbereich wie etwa HIV-Behandlung betroffen, sondern auch andere geförderte Projekte beispielsweise im Bildungsbereich.

Text: Axel Schock

Fotocredt: (c)  Konrad Hirsch 

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024