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Interview mit Ani Herna Sari, Indonesien

Debt2Health: Wenn Communities eingebunden sind, hat jeder Dollar eine echte Wirkung

Photo: © The Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria

Dieses Interview mit Ani Herna Sari, Vorsitzende von Rekat Peduli Indonesia, wurde am 27. Oktober 2025 von Johanna Fipp und Peter Wiessner vom Aktionsbündnis gegen AIDS geführt. Der Debt2Health(D2H)-Mechanismus des Globalen Fonds ermöglicht es Ländern, einen Teil ihrer Schuldenverpflichtungen in Investitionen in die HIV/Aids-, Tuberkulose (TB)- und Malaria Arbeit, sowie in die Stärkung von Gesundheitssystemen umzuwandeln. Deutschland hat hierbei eine Vorreiterrolle eingenommen und Vereinbarungen im Wert von mehreren hundert Millionen Euro mit verschiedenen Ländern geschlossen, die Global-Fund-Mittel umsetzen. In diesem zweiten Interview unserer Reihe betrachten wir die Auswirkungen dieser Initiative auf die Zivilgesellschaft und Schlüsselgruppen in verschiedenen Ländern. Unser herzlicher Dank gilt Ani Herna Sari für ihre offenen Einblicke. Dieser Beitrag ist Teil der Blogreihe zur 8. Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds. Seit dem 20. August 2025 veröffentlichen zivilgesellschaftliche Organisationen wöchentlich Beiträge zu globaler Gesundheitsfinanzierung, Chancengleichheit und der Rolle des Globalen Fonds.

Ani Herna Sari: Mein Name ist Ani Herna Sari, ich lebe in Surabaya, Indonesien. Ich bin eine Tuberkulose-Überlebende. Ich habe sowohl eine multiresistente TB (MDR-TB) als auch eine medikamentensensible TB überstanden. Derzeit bin ich Vorsitzende von Rekat Peduli Indonesia, einer Organisation, die Menschen mit TB unterstützt, insbesondere solche mit MDR-TB, indem wir ihnen den Zugang zu hochwertiger Versorgung ermöglichen und helfen, frei von Stigmatisierung zu leben. Wir betreiben außerdem Community-led Monitoring (CLM beschreibt einen Prozess, in dem betroffene Communities selbst Daten erheben, Probleme identifizieren und Verbesserungen anstoßen). Wir sammeln Informationen aus der Basis und berichten Herausforderungen oder Hindernisse an die Bezirksgesundheitsämter und andere relevante Akteure. Indonesien gehört zu den drei Ländern mit der höchsten TB-Belastung weltweit. TB bleibt eine große gesundheitspolitische Herausforderung. Trotz Fortschritten beim Zugang zu Diagnostik und Behandlung stoßen Menschen mit resistenter TB noch immer auf große Hürden, schwieriger Zugang zu Versorgung, Stigma und sozioökonomische Barrieren. Koinfektionen mit HIV sind ebenfalls ein Problem, besonders bei Schlüsselgruppen und vulnerablen Bevölkerungen. Wir beobachten Rückgänge bei der Fallfindung und in der Versorgung,  deshalb ist 2025 ein entscheidendes Jahr für weitere Interessenvertretung für besseren Zugang und mehr Gerechtigkeit. 

Johanna Fipp: Dieses Gespräch dreht sich um Gesundheitsversorgung, Schuldenlast und den Debt2Health-Mechanismus. Ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Indonesien für alle gleich, oder gibt es große Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen?

Ani Herna Sari: Als ich zum ersten Mal vom Debt2Health-Abkommen zwischen Deutschland und Indonesien hörte, war meine erste Reaktion vorsichtige Hoffnung. Als jemand, der TB selbst erlebt hat, nicht nur als Patientin, sondern als Überlebende und jetzt als Aktivistin, weiß ich, wie entscheidend Finanzierung für das Leben von Millionen Menschen mit TB ist. Debt2Health bietet etwas Einzigartiges: die Möglichkeit, finanzielle Verpflichtungen in lebensrettende Investitionen zu verwandeln. Für ein Land wie Indonesien, mit seiner hohen TB-Belastung, ist das nicht nur ein wirtschaftliches Instrument, sondern eine Frage von Überleben, Würde und Gerechtigkeit. Die Mittel werden über den Country Coordinating Mechanism (CCM) und technische Arbeitsgruppen koordiniert und sind Teil der Global-Fund-Zuteilung. Der Schwerpunkt liegt auf programmatischen und klinischen Kerninterventionen, Fallfindung, Diagnostik, Therapietreue und Versorgung. Genauso wichtig ist jedoch, dass ein Teil dieser Mittel die Communities erreicht. Communityorganisationen arbeiten am nächsten an den Betroffenen, und ihre Stärkung garantiert Nachhaltigkeit. Wenn ein Teil der Debt2Health-Mittel direkt in die Communityarbeit und Empowerment fließen könnte, würde das die TB-Bekämpfung deutlich stärken. In Indonesien wurde Debt2Health erstmals im Global Fund Grant Cycle 6 (2021–2023) unter dem PR-Konsortium umgesetzt. Nicht alle Mittel wurden ausgegeben, und der Globale Fonds erlaubte, die Restgelder in Förderzyklus 7 (GC7) zu übertragen. Zusätzlich erhielt das PR-Konsortium eine neue D2H-Zuteilung unter GC7.

Photo: Ani Herna Sari
Photo: Ani Herna Sari

Johanna Fipp: Wie wirkt sich die öffentliche Verschuldung auf das Gesundheitssystem aus, und wie beeinflussen schrumpfende Budgets und sinkende Entwicklungshilfe die TB-Programme?

Ani Herna Sari: Als Organisation, die eng mit Menschen mit TB arbeitet, sehen wir täglich, wie sinkende Budgets und Staatsschulden Leben direkt beeinflussen. Die Finanzierung für MDR-TB durch den Globalen Fonds läuft schon vor 2026 aus. Das bedeutet: Weniger Patient*innen können behandelt werden, und viele, die noch in Behandlung sind, kämpfen ohne die nötige Unterstützung, um ihre Therapie abzuschließen. Darum setzen wir uns, gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium, bei anderen Ministerien ein: Beim Sozialministerium, um soziale Unterstützung für MDR-TB-Patient*innen bereitzustellen, und bei der BPJS, unserer nationalen Krankenversicherung, damit sie Komorbiditäten und Basisdienste für MDR-TB abdeckt. Wir glauben, dass Ministerien übergreifende Zusammenarbeit entscheidend ist, wenn wir echte Nachhaltigkeit über Geberfinanzierung hinaus erreichen wollen. Indonesien bezieht die Communities fair in nationale Diskussionen ein, doch manchmal sind deren Vertreter*innen nicht eng genug mit der Basis verbunden. Echte Vertretung muss von Menschen kommen, die die Herausforderungen der Communities wirklich kennen. Wir glauben, dass bedeutungsvolle Einbindung der Communities und stärkere nationale Unterstützung der Schlüssel sind, um eine menschenzentrierte, nachhaltige TB-Arbeit aufzubauen, eine, die niemanden zurücklässt.

Photo: Ani Herna Sari
Photo: Ani Herna Sari

Peter Wiessner: Bevor wir zu Debt2Health zurückkehren, TB-Stigma ist etwas, das viele Menschen in Deutschland oder Europa kaum verstehen. Du erwähntest Deine persönliche Geschichte. Kannst Du uns erklären, wie TB-bezogenes Stigma in Indonesien aussieht?

Ani Herna Sari: Aus meiner eigenen Erfahrung: Als ich MDR-TB hatte und entdeckte, dass ich schwanger war, wusste die Gesundheitseinrichtung nicht, wie sie mit meinem Fall umgehen sollte. Viele Ärzt*innen nehmen an, dass Menschen mit MDR-TB „selbst schuld“ sind, weil sie angeblich die Behandlung „nicht eingehalten“ hätten, auch wenn die Ursache oft Fehlverschreibungen oder systemische Mängel sind. In meinem Fall erhielt ich zunächst die falsche Medikation, obwohl ich TB-negativ getestet worden war. Nach zwei Monaten bekam ich Komplikationen und wurde schließlich mit MDR-TB diagnostiziert. Während der Behandlung wurde ich schwanger. Mein Fruchtwasser ging im siebten Monat ab und obwohl ich bereits nach einem Monat TB-negativ war, wurde ich in einem MDR-TB-Isolationsraum untergebracht statt auf der Entbindungsstation. Ich war fast fünf Tage von meinem Baby getrennt, wegen dieser Entscheidung. Es gibt noch immer viel Fehlinformation: Viele glauben, TB könne sich durch gemeinsames Essen oder Geschirrteilen übertragen, oder dass Mütter TB auf ihre Kinder übertragen, nur weil sie in der Nähe sind. Auf Indonesiens vielen Inseln und in unterschiedlichen Kulturen halten sich Mythen, dass TB durch Flüche oder schlechtes Verhalten verursacht wird. Dieses Stigma isoliert Patient*innen und erschwert ihre Genesung enorm.

Peter Wiessner: Aus Sicht der Communities: Debt2Health kann zusätzliche Ressourcen für Gesundheitssysteme bringen, aber wie stellen wir sicher, dass diese Mittel wirklich bei Patient*innen und Communities ankommen?

Ani Herna Sari: Communities müssen in allen Phasen beteiligt werden, bei Planung, Entscheidungsfindung und Monitoring. Wir arbeiten direkt mit den mit den mit TB lebenden Personen und ihren Communities. Wenn Communities Teil des Prozesses sind, können wir sicherstellen, dass Debt2Health-Mittel wirklich die Menschen erreichen, die sie am dringendsten brauchen.

Photo: Ani Hera Sari with TB activists from Indonesia
Photo: Ani Hera Sari with TB activists from Indonesia

, 2025