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Jedes einzelne Leben ist wichtig

Krystal Birungi aus Uganda

Blogreihe zum Replenishment© Aktionsbündnis gegen AIDS

Dieser Beitrag ist Teil der Blogreihe zur 8. Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds. Seit dem 20. August 2025 veröffentlichen zivilgesellschaftliche Organisationen wöchentlich Beiträge zu globaler Gesundheitsfinanzierung, Chancengleichheit und der Rolle des Globalen Fonds.

Als ihr Sohn unlängst fünf Jahre alt wurde, war dies für Krystal Mwesiga Birungi kein gewöhnlicher Geburtstag: „Ich lief den ganzen Tag mit einem breiten Lächeln herum und sagte mir immer wieder: Er lebt“. Denn dass ihr Kind dieses Alter erreicht hatte, war – rein statistisch betrachtet – nicht selbstverständlich. In Birungis Kindheit und Jugend war jedes dritte Kind noch vor dem fünften Lebensjahr an Malaria verstorben. Die Gefahr einer möglicherweise tödlichen Malariaerkrankung war in Uganda – wie in vielen anderen afrikanischen Staaten – allgegenwärtig. Mit den Regenfällen kamen die Moskitos, und jeder einzelne konnte den Parasiten übertragen. Eine Behandlung war zwar möglich, doch die benötigten Medikamente waren für viele unbezahlbar. Die Sterberate, insbesondere unter Kindern und schwangeren Frauen, war entsprechend hoch. Die Menschen fühlten sich ohnmächtig gegenüber dieser permanenten Bedrohung. Diese Erfahrung hat die Biografie und den Berufsweg von Krystal Mwesiga Birungi, die in einer kleinen Gemeinde außerhalb von Ugandas Hauptstadt Kampala aufwuchs, maßgeblich geprägt.

„Wir wussten, dass wir jederzeit Malaria bekommen könnten. Und sollten wir daran erkranken, gäbe es keine Sicherheit, dass wir überleben“, schildert sie ihre damalige Lebenssituation. „Doch so sollte niemand aufwachsen und leben müssen. Das ist einfach falsch.“ Auch Krystal und ihre Geschwister erkrankten; ihren jüngsten Bruder hätte sie beinahe durch Malaria verloren. Sie wird nie vergessen, wie ihre Mutter Tag und Nacht verzweifelt versuchte, den fieberglühenden Körper des Fünfjährigen herunterzukühlen und seine Krämpfe zu stoppen. An kostenlose Medikamente zu gelangen, war jedoch nur durch enge Kontakte mit Krankenhausbeschäftigen möglich.

Die studierte Zoologin und Botanikerin hat sich deshalb zur Lebensaufgabe gemacht, mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, wie Malaria eliminiert werden kann. Und in den vergangenen Jahrzehnten ist einiges passiert ­– auch durch die Arbeit von Krystal Mwesiga Birungi selbst. Sie ist nicht nur Sprecherin des Global Fund Advocates Network. Als Insektenforscherin bei der Organisation Target Malaria Uganda erforscht sie die Populationsdynamik, das Verhalten und die Artenzusammensetzung von Stechmücken, unterstützt die Entwicklung innovativer Gene-Drive-Technologien als zusätzliche Werkzeuge für die Malaria-Toolbox und trägt so zur Verbesserung der Malariaprävention und -behandlung bei. Neue Impfstoffe und bessere Moskitonetze mit doppelter Imprägnierung schaffen bessere Voraussetzungen für die Malariabekämpfung. Zugleich führt der Klimawandel dazu, dass nunmehr Menschen in Gebieten verstärkt betroffen sind, die bislang nicht gefährdet waren.

Die Zahl der Malaria-Todesfälle ist gesunken, von jährlich 100.000 auf 17.000

Entscheidend für die Verbesserung der Situation im Lande sei der Global Fund gewesen, erläutert Birungi. Starb früher noch jedes dritte Kind unter fünf Jahren an Malaria, ist es heute nur noch eines von 25. Das ist zwar immer noch eine erschreckend hohe Sterberate, doch die Zahl der Todesfälle ist damit deutlich gesunken: statt jährlich 100.000 sind es heute rund 17.000.

„Diesen Erfolg verdanken wir beispielsweise den Moskitonetzen, die in den Dörfern verteilt werden konnten, aber auch den Gesundheitsversorgungsteams im ländlichen Raum“, erklärt Krystal Mwesiga Birungi. Diese werden durch den Global Fund nicht nur finanziert, sondern auch ausgebildet. Dabei handelt es sich um Menschen, die aus den jeweiligen Dorfgemeinschaften stammen und sich nun dort um die Prävention und Behandlung von Malaria kümmern.

Doch es gibt noch lange keinen Grund zufrieden mit dem Erreichten zu sein. „Es ist eine Herzensangelegenheit für mich, denn so viele Menschen sind durch diese Krankheit bereits gestorben“, sagt Krystal Mwesiga Birungi. Uganda mit seinen 47 Millionen Einwohner*innen gehört weltweit zu den Ländern mit den meisten Malariainfektionen. Die Krankheit hat bereits hunderte Millionen Menschen das Leben gekostet. Der von der Welt-Gesundheitsorganisation herausgegebene internationale Malaria-Report nennt für 2022 weltweit 608.000 durch die Krankheit verursachte Todesfälle. Laut UNICEF stirbt weltweit fast jede Minute ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Malaria. Die Zahl der Krankheitsfälle ist von 2021 bis 2022 von 244 Millionen Fällen wieder auf 249 Millionen angestiegen. Von diesen Fällen trat die Hälfte in nur vier Ländern auf: Uganda ist eines davon.

Fehlender Zugang zur medizinischen Versorgung

Für Krystal Mwesiga Birungi persönlich ist die Gefahr einer Malaria-Erkrankung heute deutlich gesunken. Sie gehört, wie sie sagt, „zu den Menschen, die das Glück haben, sich mit einem Moskitonetz vor Stichen schützen zu können und – und im Falle eines Falles Zugang zu Behandlung zu erhalten.“ Und nicht weniger wichtig: „Ich kann mir die Behandlung für mein Kind selbst auch leisten.“

Doch für viele Menschen mit einer ganz anderen Lebensrealität gelte dies leider nicht. Diese wissen nicht, ob ihre Kinder das Schulalter erreichen werden. Mit diesem Fakt kann und will sich Krystal Mwesiga Birungi allerdings nicht abfinden. „Es ist einfach nicht gerecht“, sagt sie. „Diese Menschen haben keine Stimme und kaum eine Chance. Und dies, obwohl Krankheiten durch Maßnahmen wie Moskitonetze und Impfungen verhindert – und damit auch das Leben der vielen Tausend Menschen, die alljährlich in Uganda durch Malaria sterben, gerettet werden könnte.

Voraussetzung dafür wäre allerdings, die markante Ungleichheiten bei den Gesundheitschancen, abzubauen. Das größte Problem, so Krystal Mwesiga Birungi, sei der Zugang zur medizinischen Versorgung.

Gesundheitszentren abseits der großen Städte sind rar und schlecht ausgestattet

Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat Krystal Mwesiga Birungi zahlreiche Dörfer im Land besucht und sich ein Bild von der Situation machen können. In vielen der am stärksten betroffenen Gegenden, wie etwa die Inseln im Victoriasee, fehlt es selbst an grundlegendster Gesundheitsversorgung. Um sich behandeln lassen zu können, bleibt den Bewohner*innen nichts anderes übrig, als mit dem Kanu auf größere Inseln zu fahren. In den stürmischen Jahreszeiten ist jedoch selbst das nicht möglich. Nicht viel anders die Situation auf dem Festland. Auch dort fehlt es an Gesundheitseinrichtungen. „Die Menschen müssen oft viele Kilometer zu Fuß gehen, um eine Arztstation zu erreichen, wo sie medizinische Hilfe erhalten können“, berichtet Krystal Mwesiga Birungi. „Und selbst wenn sie es schaffen, solche Gesundheitszentren zu erreichen, kann ihnen oft nicht geholfen werden.“ Denn diese seien oftmals unzureichend ausgestattet und es fehle beispielsweise an Medikamenten. „Die Menschen, die dort leben, sind daher sowohl von Malaria-Präventionsmaßnahmen wie von Malaria-Behandlungen abgeschnitten. Sie werden schlicht im Stich gelassen und sterben deshalb an einer Krankheit, die längst vermeidbar ist“, sagt Krystal Mwesiga Birungi empört.

Stigmatisierung verstärkt die Chancenungleichheit

Doch es mangelt nicht nur an Medikamenten und an Gesundheitseinrichtungen. „Es fehlt, gerade an abgelegenen Orten, auch an Bildung“, stellt sie fest. Viele Menschen wüssten nicht, wie man sich vor Malaria schützen bzw. die Krankheit behandelt werden kann.

Ein weiteres Problem auf das Krystal Mwesiga Birungi hinweist, ist die Stigmatisierung. „Eine schwangere Frau mit HIV wird womöglich die Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen – aus Angst vor der Stigmatisierung, die ihr droht, wenn ihr HIV-Status bekannt wird.“ Auch Sexarbeiterinnen sind solcherart Diskriminierungen ausgesetzt. Menschen aus der LGBTIQ*-Community wiederum laufen Gefahr, in Gesundheitszentren als queere Personen identifiziert und damit einer Strafverfolgung ausgesetzt zu werden.

„Wir haben also gleich eine Vielzahl von Barrieren in Uganda, die wir dringend abbauen müssen, bevor wir behaupten könnten, dass wir gesundheitliche Chancengleichheit haben“, fast Krystal Mwesiga Birungi die Lage zusammen.

Gleichheit bedeutet für sie, dass es all die vermeidbaren Sterbefälle infolge von Malaria nicht mehr gäbe. „Gleichheit bedeute aber auch, dass der Ort, an dem Menschen geboren wurden, nicht dafür ausschlaggebend dafür sein kann, ob ich leben oder sterben werde.“

Gesundheitsgerechtigkeit ist für Krystal Mwesiga Birungi deshalb gleichbedeutend mit Gesundheitsfürsorge für alle. Denn jedes einzelne Leben sei wichtig. „Es bedeutet anzuerkennen, dass alle Menschen – ganz gleich, wo sie geboren und wie alt sie sind, welchen Glauben sie haben oder was sie besitzen – das Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung und auf ein gesundes Leben haben.“

Doch um dies zu erreichen, braucht es Chancengleichheit im öffentlichen Gesundheitswesen für alle. Krystal Mwesiga Birungi hält es nicht für unmöglich, dieses Ziel zu erreichen, doch dazu brauche es vereinte Kräfte. Auch, weil sich die Situation jederzeit wieder zum Schlechteren verändern kann. „Wir haben also keinerlei Anlass, die Hände in den Schoss zu legen“, sagt die Malariaforscherin.

In der Covid-19-Krise habe man sehen können, dass eine solche Pandemie in den Griff zu bekommen ist – sofern die Weltgemeinschaft zusammensteht. Deutlich geworden sei aber auch, dass es jenen Staaten, die über ein starkes öffentliches Gesundheitswesen verfügen, es am besten gelingt, auf solche Gesundheitskrisen angemessen zu reagieren.

„Ohne Unterstützung werden Staaten wie Uganda gesundheitliche Chancengleichheit nie erreichen“

Uganda ist allerdings ein armes Land und die Gesundheitsversorgung deshalb entsprechend schwach. „Es gibt längst das Wissen und auch die Möglichkeiten, HIV, Tuberkulose wie auch Malaria zu eliminieren und gesundheitliche Chancengleichheit für alle zu erreichen. Doch ohne Unterstützung werden Staaten wie Uganda gesundheitliche Chancengleichheit nie erreichen“, ist sich Krystal Mwesiga Birungi sicher „Aber dafür benötigen wir starke Partner. Wir selbst haben diese Kraft nicht.“

Der Global Fund verfüge sowohl über die Werkzeuge, den Willen und die notwendigen Strukturen, wie Krystal Mwesiga Birungi betont. „Und wir sehen in Uganda wie auch in vielen anderen Ländern, dass die Arbeit des Global Fund funktioniert. Wir wissen aber auch, dass nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.“

Krystal Mwesiga Birungi appelliert daher an die Solidarität der Staatengemeinschaft: „Wer eine Stimme und die Möglichkeiten hat, wer über die notwendigen Mittel verfügt, hat daher die moralische Verpflichtung zu verhindern, dass Menschen sterben müssen, einfach nur, weil sie am falschen Ort geboren sind“. Es könne nicht sein, dass Eltern sich entscheiden müssten, ob sie ihren Kindern die lebensnotwendige Behandlung bezahlen oder etwas zu essen kaufen können. „Das ist nicht die Welt, in der wir leben wollen. Um Gleichheit zu erlangen, dürfen wir nicht länger nur darüber reden, sondern müssen handeln.“

Text: Axel Schock 

Interview: Priyanka Ayer, Global Fund Advocates Network und Peter Wiessner, Aktionsbündnis gegen AIDS

Fotos: Axel Schock, Global Funds Advocates Network, Peter Wiessner

Oktober 2024 

Krystal Burungi from Uganda - every single life matters - English

, 2025