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"Sie müssen verhaftet werden!"

Wie Evangelikale aus den USA Homophobie in Afrika zum Aufschwung verhelfen

Gruppenfoto des Besuchs von Family Watch International mit Teilen der Regierung Ugandas (Quelle:  https://twitter.com/JanetMuseveni/status/1643150815694057473?s=20

Das ugandische Anti-LGBTQ+-Gesetz (das gegen Lesben Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und queer Menschen gerichtete Gesetz) als eines der schlimmsten der Welt bezeichnet wird, bestraft gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen einwilligenden Erwachsenen mit lebenslanger Haft, der Todesstrafe für "schwere Homosexualität", 20 Jahren Haft für die "Förderung von Homosexualität", 10 Jahren Haft für "versuchte Homosexualität" und mehr. Sich als LGBTQ+ zu identifizieren, als LGBTQ+ wahrgenommen zu werden und ein Verbündeter von LGBTQ+ Menschen zu sein, sind in Uganda nun schwere Verbrechen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, das Ugandas Anti-LGBTQ+-Gesetz nun am 3. April bestätigte, erhöhen sich die Bemühungen die Annullierung des Gesetzes. Im Mittelpunkt stehen dabei auch europäische Regierungen. Anstatt Druck auszuüben, haben diese lediglich ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Immer darauf bedacht, so zu verfahren, dass sich an ihren Beziehungen zu Uganda nichts ändert. Man kann diese Strategie auch als Signal an Museveni deuten, dass sie mit dem Gesetz einverstanden sind. Fast 600 Menschen wurden seit der Einführung Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen. Wir veröffentlichen diesen Text als Hintergrundinformation zu unseren Interviews mit Pricilla Ama Addo aus Ghana, Krystal Burungi aus Uganda und Eudora Ogechukwu aus Nigeria. Alle drei Aktivistinnen berichten davon, wie sich die Verbreitung von Hass auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen mit HIV und die davon betroffene Gruppen auswirkt.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich in weiten Teilen auf einen Beitrag des nigerianischen Journalisten Caleb Okereke, Mitbegründer und Chefredakteur von Minority Africa. Okereke untersucht die Ursachen des Hasses auf queere Communities: das ugandische Gesetz wurde von denselben evangelikalen US-Fundamentalisten vorangetrieben und finanziert, die auch hinter hunderten Anti-LGBTQ+-Gesetzen in den USA, sowie Nachahmungsversuchen in Ghana, Kenia und anderen Ländern stehen: allen voran steht die fundamentalistische US-Organisation Family Watch International. 

„Ich hatte kürzlich die Ehre, Sharon Slater, die Präsidentin von Family Watch International, und ihr Team zu treffen“, schreibt die First Lady Ugandas Janet K. Museveni am 4. April am Tag nach der Bestätigung des Gesetzes durch das Verfassungsgericht Ugandas auf X: „Sie nahmen an der ersten afrikanischen regionalen interparlamentarischen Konferenz in Uganda teil, die sich mit globalen Herausforderungen befasste, die afrikanische Familien und Werte bedrohen“ (…) Während unseres Treffens erörterten wir die Bedeutung des Schutzes der afrikanischen Kultur und der Familienwerte gegen die aufkommenden Bedrohungen, und ich äußerte meine Besorgnis über das Aufzwingen schädlicher Praktiken wie Homosexualität. Diesen negativen Einflüssen muss mit strategischen Maßnahmen entgegengewirkt werden“. (…) „Ich beglückwünsche das ugandische Parlament zur Verabschiedung des Anti-Homosexualitätsgesetzes, das die Ugander in die Lage versetzt, sich gegen das unseren Kindern auferlegte Übel zu wehren“.

“They need to be arrested!”

Eine Strategie der Fundamentalisten besteht darin moralische Entrüstung zu produzieren. Dabei wird auf Halbwahrheiten und Lügen zurückgegriffen, bspw. durch Aussagen von bekehrten ehemaligen Schwulen und Lesben. Okereke erörtert den Fall von Elisha Mukisa, einem 26-jährigen Mann in Uganda, der behauptet, von Sexual Minorities Uganda (SMUG), einer NGO zur Unterstützung von LGBTQ+-Personen, gezwungen worden zu sein bei Schwulenpornos mitzuwirken. Das Video von Mukisas Anschuldigungen löste in den sozialen Medien homophobe Rhetorik und moralische Panik aus, was zur Schließung von SMUG durch die ugandische Regierung führte.  In der anschließenden Diskussion in den sozialen Medien wurde die SMUG als eine Bedrohung für Kinder definiert, vor der sich Eltern in Acht nehmen müssten. Ein Twitter-Nutzer, @Ashernamanya, schrieb: "Uganda muss für Gott, den Allmächtigen, sein, nicht für die Arschlecker, die Schwulen. SMUG, eine Nichtregierungsorganisation, rekrutiert junge Kinder für die Homosexualität und spielt die Schwulen. They need to be arrested."

Im Monat zuvor hatte die ugandische Regierung die Organisation geschlossen. Die NGO-Behörde des Landes gab nach der Ankündigung eine Erklärung ab, in der es hieß, die Registrierung von SMUG sei abgelehnt worden, weil sie "unerwünscht" sei. Mukisa behauptete in diesem Video, dass die Schließung aufgrund von Beweisen erfolgte, die er der NGO-Behörde vorgelegt hatte.

„Zur Homosexualität rekrutiert…“

Dieser Vorfall ist Teil eines Musters, bei dem die Massenmedien in Uganda genutzt werden, um das "Ex-Gay"-Narrativ zu verbreiten, welches sich mit dem weißen evangelikalen Christentum und dem Export von Ideologien aus den USA deckt, die afrikanische Länder polarisieren und LGBTQ+-Personen gefährden. Das Video reihte sich in eine wachsende Liste der Fälle ein, in denen die Massenmedien in Uganda als Waffe eingesetzt werden, um Panik zu schüren und um "Ex-Gay"-Erzählungen zu verbreiten, in der Personen behaupten, zur Homosexualität "gelockt" und "rekrutiert" worden zu sein. Die tiefen Verbindungen zum weißen evangelikalen Christentum sind offensichtlich. Es handelt sich den Export einer Bewegung und Ideologie made in the USA, die afrikanische Länder polarisiert und LGBTQ+ Menschen schadet und gefährdet.

Seit den Tagen des europäischen Kolonialismus, als Sodomie mit der Todesstrafe geahndet wurde, ist die Kirche das Gesicht der Anti-LGBTQ+-Bewegung und hat eine Sprache und ein Framing verwendet, das mit den heutigen Ex-Gay-Bewegungen übereinstimmt. Darüber hinaus versucht sich die politisch Rechte immer wieder an diesem Narrativ. Auch bei uns in Deutschland.

Gleichsetzung von Homosexualität mit Pädophilie legitimiert „harte“ Maßnahmen

Diese Umdeutung von Homosexualität in Pädophilie und die weit verbreitete Verwendung ähnlicher Formulierungen sollen die Reaktion und das harte Durchgreifen der Regierungen und Institutionen legitimieren. Dabei dient die Konstruktion eines Narrativs wonach Homosexuelle es auf Kinder abgesehen haben.

Dabei ist die Rhetorik durch Evangelikale, die eine Verbindung zwischen Homosexualität und Pädophilie herstellt, ist in den vergangenen Dekaden weitgehend unverändert geblieben. In einem Brief aus dem Jahr 1981 beschrieb der US-amerikanische Prediger Jerry Falwell Homosexuelle als "Rekruten", die es auf meine und Ihre Kinder abgesehen hätten, und dass sie "nicht für einen profanen Lebensstil rekrutiert werden dürfen". Falwell fügte außerdem hinzu, dass Homosexuelle eine Bedrohung für Familien seien, weil sie sich nicht fortpflanzten.

Die Befürworter von Ex-Homosexuellen- und Anti-Homosexuellen-Philosophien sind darauf angewiesen, dass homosexuelle Menschen nicht verschwinden, damit ihre Botschaft relevant ist. Sie brauchen einen Feind, damit ihr Kampf gültig ist, und sie geben sich große Mühe, diesen Feind als eine gut finanzierte und allmächtige ausländische Bewegung zu konstruieren, während sie die lokale Anti-Homosexuellen-Bewegung fälschlicherweise als Außenseiter an der Basis darstellen, obwohl sie für ihre Öffentlichkeitsarbeit stark auf die US-Evangelikalen angewiesen ist. Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingt, die Regierung Ugandas von dem Irrweg abzubringen. Ohne internationalen Druck wird dies nicht gelingen. Es wird Zeit US-Organisationen wie Family Watch International das Handwerk zu legen.

Quellen:

Beitrag Okereke: https://foreignpolicy.com/2023/03/19/afr...

Graphik: https://twitter.com/CFE_Uganda https://twitter.com/JanetMuseveni/status...

Twitter Janet Museveni: https://twitter.com/JanetMuseveni/status...

Family Watch International: https://familywatch.org/

Foto:  Gruppenfoto des Besuchs von Family Watch International mit Teilen der Regierung Ugandas (Quelle:  https://twitter.com/JanetMuseveni/status...

Peter Wiessner

wiessner@aktionsbuendnis-aids.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024