Fact Sheet WHO
unsere Forderungen an die Bundesregierung
Zur Bewältigung wichtiger Herausforderungen im Bereich der globalen Gesundheit hat die WHO ihre erste Investitionsrunde eingeleitet, wodurch Ressourcen für die Kernarbeit der WHO in den nächsten vier Jahren (2025-2028) mobilisiert werde sollen. Die Investitionsrunde soll auf dem auf dem G20-Gipfel unter dem Vorsitz des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva seinen Höhepunkt finden. Sie wird von einer wachsenden Gruppe von Ko-Gastgebern unterstützt: Frankreich, Deutschland, Norwegen, Brasilien, Mauretanien (für die Afrikanische Union), Südafrika und das Königreich Saudi-Arabien. Wir nutzen die wichtige Diskussion um die Finanzierung der WHO zur Erstellung eines Fact Sheets, in dem wir die Aufgaben der WHO kurz beschreiben, auf Fragen und Herausforderungen der Finanzierung der WHO eingehen, auf bestehende Abhängigkeitsstrukturen, sowie auf finanzielle und politische Einflussfaktoren verweisen und unsere Forderungen an die Bundesregierung darstellen. Das Fact Sheet steht unten zum Download bereit.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde am 7. April 1948 als Sonderorganisation der Vereinten Nationen gegründet. Das Hauptziel der WHO liegt in der Verbesserung der Gesundheit aller Menschen, der Bekämpfung von Krankheiten, und der Förderung des gesundheitlichen Wohlbefindens weltweit.
Funktion, Aufgaben und Mehrwert der WHO
Die Funktion und die Aufgaben der WHO liegen in den Bereichen der Entwicklung von Standards zur Gesundheitsförderung, Überwachung globaler Gesundheitsrisiken, der Koordination internationaler Gesundheitsmaßnahmen, Forschung und Entwicklung. Der Mehrwert der WHO liegt in ihrer einzigartigen Rolle als globale auf internationaler Ebene tätigen Gesundheitsorganisation. Sie bietet zahlreiche Vorteile und trägt auf vielfältige Weise zur Verbesserung der weltweiten Gesundheit bei.
Gesundheitsförderung: Die WHO setzt sich für die Verbesserung der globalen Gesundheit ein, indem Richtlinien, Standards und Empfehlungen für Diagnosen, Behandlungen, Impfstoffe und Medikamente entwickelt werden, die zur Prävention und Behandlung von Krankheiten beitragen. Dies stellt sicher, dass weltweit einheitliche, wissenschaftlich fundierte, abgesicherte Verfahren angewendet werden. Die Herausgabe von Richtlinien hilft Regierungen und Gesundheitseinrichtungen, optimale Gesundheitspraktiken zu implementieren. Die WHO spielt eine zentrale Rolle in der Pandemieprävention und -bekämpfung, indem u.a. globale Impfkampagnen koordiniert, Forschungsanstrengungen geleitet und internationale Reise- und Handelsrichtlinien während Krankheitsausbrüchen festlegt werden.
Bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, wie bspw. Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids, sowie in der Ausrottung von Pocken und dem Rückgang von Polio, hat sie in Kooperation mit dem Globalen Fonds, UNAIDS und anderen Institutionen bisher weitreichende Erfolge erzielt.
Überwachung globaler Gesundheitsrisiken: Die weltweite Überwachung von Gesundheitsbedrohungen, gehört zu den zentralen Aufgaben der WHO. Sie sammelt Daten, um frühzeitig und schnell auf lokale und globale Ausbrüche von Epidemien, der Identifikation von Pandemien und andere Gesundheitskrisen reagieren zu können. Letztes Beispiel dafür ist der am 14.08.2024 erfolgte Ausruf des Mpox-Ausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo als „Gesundheitsnotstand von internationaler Bedeutung“. Länder sollen dadurch motiviert werden, geeignete Vorbeuge- und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Die WHO übernimmt die internationale Koordination von Notfallmaßnahmen: Es werden internationale Hilfsmaßnahmen koordiniert, Ressourcen mobilisiert und Länder bei der Entwicklung schneller und effektiver Maßnahmen unterstützt. Die COVID-19-Pandemie verdeutlichte eindrücklich die Herausforderungen, die damit einhergehen. Die WHO ermöglicht den Austausch von Wissen, Ressourcen und Best Practices Beispielen zwischen Ländern und Regionen, was in Gesundheitskrisen entscheidend ist und die Kooperation zwischen den Ländern fördern kann.
Förderung der Gesundheitsforschung: Die WHO unterstützt und koordiniert globale Forschung zu wichtigen Gesundheitsfragen, einschließlich der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Sie sammelt, analysiert und verbreitet Gesundheitsdaten, um fundierte Entscheidungen zu ermöglichen und innovative Lösungen zu fördern.
Ist die WHO unabhängig?
Die WHO ist formal betrachtet eine unabhängige, internationale Organisation. In der Praxis ist ihre Unabhängigkeit jedoch aufgrund einer unzureichenden Finanzierung eingeschränkt und immer wieder auch Einflussversuchen einzelner Länder und Geldgeber*innen ausgesetzt. Real ist die WHO deshalb fortwährend finanziellen und politischen Einflussmöglichkeiten und Kritiken ausgesetzt, die ein unabhängiges Agieren erschweren und ihre Handlungsspielräume teilweise erheblich begrenzen.
Finanzielle Einflussfaktoren: Die WHO wird größtenteils durch freiwillige Beiträge der Mitgliedstaaten und durch private Organisationen finanziert. Diese Beiträge können zweckgebunden sein, was bedeutet, dass die Geldgeber*innen Einfluss auf die Prioritäten und Programme der WHO ausüben können. Private Geldgeber*innen stehen immer wieder im Verdacht, dass ihre Beiträge zur Finanzierung von Programmen der WHO zur Verfolgung ihrer eigenen Agenda genutzt werden.
Politische Einflussfaktoren: Da die Mitgliedstaaten die wesentlichen Entscheidungen in der Weltgeundheitsverammlung (WHA) treffen, ist die WHO konstant politischem Druck ausgesetzt, insbesondere von größeren und finanzstärkeren Staaten. Geopolitische Entwicklungen und Vorstellungen bspw. in Bezug auf Wertvorstellungen und Moral; die Verwendung von Begrifflichkeiten; Benennung von LGBTIQ+ Communities oder den Stellenwert der Einbindung der Zivilgesellschaft, beeinflussen Vereinbarungen und blockieren Abstimmungsprozesse. Die COVID-19-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie globale Gesundheitsthemen von Regierungen dazu genutzt werden können, um von innenpolitischen Problemen abzulenken oder um geopolitische Konflikte zuzuspitzen.
Handlungsspielraum: Die WHO gibt zwar globale Richtlinien und Empfehlungen heraus, hat aber keine direkten Durchsetzungsmechanismen. Sie ist auf die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten angewiesen, die für die Umsetzung ihrer Empfehlungen zuständig sind. Dass der Wille dazu häufig begrenzt ist, hat die COVID-19 Pandemie eindrücklich verdeutlicht.
Globale Glaubwürdigkeit und wissenschaftliche Unabhängigkeit: Die WHO entwickelt unabhängige, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen, die auf globaler Expertise basieren und von politischen oder wirtschaftlichen Interessen weitgehend unabhängig sind. Durch ihre Arbeit hat die WHO global eine hohe Glaubwürdigkeit erlangt. Für die Position einer vertrauenswürdigen Vermittlerin zwischen verschiedenen Akteur*innen ist dies eine unabdingbare Voraussetzung.
Finanzierung der WHO
Die Finanzierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt sich aus Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen zusammen. Beide Finanzierungskomponenten zusammengerechnet, haben die Mitgliedstaaten im Biennium 2022-2023 etwas mehr als die Hälfte des Programmbudgets zur Verfügung gestellt. Weitere 28 % kommen von anderen Organisationen im System der Vereinten Nationen, öffentlich-privaten Partnerschaften sowie Entwicklungsbanken, die ihrerseits weitgehend von Regierungen finanziert werden. Private Akteure tragen insgesamt über 19 % bei, wobei die Bill & Melinda Gates Stiftung mit 12,7 % der Mittel fast zwei Drittel der privaten Gelder bereitstellt.
Die WHO startete während der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024 zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Investitionsrunde, ein Vorhaben, dass unter anderem durch die Bundesregierung, Frankreich und Norwegen als offizielle Mitausrichter unterstützt wird. Im November soll es während des G20-Gipfels in Brasilien eine abschließende Fundraising-Veranstaltung dazu geben. Für das vierjährige Programmbudget 2025-2028 wird ein Gesamtbedarf von 11,1 Milliarden US-Dollar (USD) erwartet. Die Mitgliedstaaten haben einer Erhöhung der Pflichtbeiträge zugestimmt, wodurch 4 Milliarden USD des Budgets abgedeckt werden. Es bleibt jedoch eine Finanzierungslücke von 7,1 Milliarden USD, die durch freiwillige Beiträge geschlossen werden muss.
Herausforderungen bei der Finanzierung
Als die WHO 1948 gegründet wurde, finanzierte sie sich fast ausschließlich aus Pflichtbeiträgen, die die Mitgliedstaaten jedes Jahr vorhersehbar zahlen. Diese Beiträge können flexibel eingesetzt werden und werden von einer breiten Basis an Mitgliedstaaten bereitgestellt. Heute machen Pflichtbeiträge jedoch weniger als ein Viertel der Gesamtfinanzierung der WHO aus. Die restlichen drei Viertel stammen aus freiwilligen Beiträgen, die häufig kurzfristige, zweckgebundene Zuschüsse für spezifische Programme oder Büros sind. Dies führt dazu, dass die WHO jährlich über 3000 Berichte an die Geldgeber*innen verfassen muss und aufgrund der Kurzfristigkeit der Mittel keine langfristige Planung zur Erfüllung ihres Mandats vornehmen kann. Außerdem resultiert daraus, dass mehr als 60 % der Mitarbeitenden in den Länderbüros über Kurzzeitverträge beschäftigt sind.
Für eine erfolgreiche Investitionsrunde der WHO
Für eine erfolgreiche Investitionsrunde ist zur Förderung der Unabhängigkeit der WHO von maßgeblicher Bedeutung, dass neben der Erhöhung der Beiträge deren flexible Verwendung gewährleistet wird.
Das Center for Global Development analysiert und unterscheidet zwischen spezifizierten, thematischen und Kernbeiträgen[1]:
Spezifizierte Beiträge machen 88 Prozent aller freiwilligen Beiträge aus. Sie sind unflexibel und für bestimmte Prioritäten, Projekte und programmatische Bereiche und/oder geografische Standorte bestimmt, die von den Gebern festgelegt werden und innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens ausgegeben werden müssen. Die größten Geber sind die USA, die Bill & Melinda Gates Foundation und Deutschland.
Thematische Beiträge machen 7,9 Prozent aller freiwilligen Beiträge aus und sind nur teilweise flexibel. Sie werden für von den Geldgebern festgelegte strategische Engagements wie bspw. die Ausrottung der Kinderlähmung oder für geografische Regionen vergeben. Diese Finanzierungsquelle wird von Deutschland und der Europäischen Kommission dominiert.
Beiträge für das Kernbudget der WHO machen lediglich 4,1 % der freiwilligen Beiträge aus. Sie sind nicht an Bedingungen geknüpft und völlig flexibel. Im Zweijahreszeitraum 2022 und 2023 leisteten lediglich 14 Geldgeber*innen einen solchen flexiblen Beitrag, wobei das Vereinigte Königreich mit über 230 Millionen USD den größten Beitrag leistete.
Der deutsche Beitrag an die WHO
Deutschland leistete im Biennium 2022-2023 einen Beitrag von 11,11 % zur Gesamtfinanzierung der WHO. Neben den Pflichtbeiträgen hat Deutschland für die kommenden vier Jahre zusätzliche freiwillige Beiträge in Höhe von jährlich durchschnittlich 60 Millionen Euro (insgesamt 240 Millionen Euro) angekündigt. Die EU hat 250 Millionen Euro versprochen, wobei der deutsche Anteil an diesen EU-Geldern basierend auf dem Beitrag Deutschlands zum EU-Haushalt im Jahr 2023 (23,6 %) 56,64 Millionen Euro beträgt. Nach Umrechnungskursen vom Oktober 2024 kommen somit circa 330 Millionen USD an freiwilligen Beiträgen von Deutschland zusammen. Dieser Betrag deckt etwa 4,6 % der benötigten 7,1 Milliarden USD.
Unsere Forderungen an die Bundesregierung
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Rede zur Eröffnung der Welt AIDS Konferenz die Bedeutung der WHO und der mit ihr im Kampf gegen HIV, TB und Malaria kooperierenden Organisationen hervorgehoben. Durch eine verlässliche Finanzierung gilt es sicherzustellen, dass die formale Unabhängigkeit der WHO realisiert wird und Bestand haben kann. Als Aktionsbündnis gegen AIDS sehen wir hier die Bundesregierung in der Verantwortung!
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Investitionsrunde der WHO unterstützt und in den vergangenen Jahren die WHO in hohem Maße finanziell und inhaltlich gefördert hat.
Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Rolle als Mitausrichter der Investitionsrunde aktiv wahrzunehmen, um andere Mitgliedsstaaten zu ausreichend hohen Beiträgen zu motivieren. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung ihren geplanten Beitrag über eigene Mittel und den EU-Betrag zur Investitionsrunde an den tatsächlichen Bedarf anpassen sowie die Gelder ohne Zweckbindung zur Verfügung stellen. Denn die bisher angekündigten freiwilligen Beiträge Deutschlands decken lediglich etwa 4,6 % der Finanzierungslücke von 7,1 Milliarden USD. Der World Health Summit im Oktober in Berlin oder die Fundraising-Veranstaltung der WHO im November 2024 bieten geeignete Gelegenheiten, dieses Engagement zu verstärken.
Kontakt: info@aidskampagne.de