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EU Pharmareform (3)
Frage 3: Wie bewerten Sie die vorgesehene EU-Pharmareform in Bezug auf geplante Patentverkürzungen und -Verlängerungen, auf übertragbare Datenexklusivitätsgutscheine zur Entwicklung benötigter antimikrobieller Mittel und welche Auswirkungen erwarten Sie für den globalen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten?
Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
Wir wollen die Innovation der EU-Gesundheitsforschung stärker fördern, um die Behandelbarkeit von Krankheiten und den Zugang zu Medikamenten zu verbessern. Patentverlängerungen sehen wir kritisch, wegen den unklaren Bedingungen. In den Verhandlungen konnte auf Druck von uns Grünen die Patentdauer auf 7,5 bzw. 8,5 Jahre beschränkt werden.
Wie die meisten Expert*innen für die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen halten auch wir Datenexklusivitätsgutscheine für falsch. Sinnvoller sind „milestone payments“; bei denen Hersteller schon während Forschung und Entwicklung staatliche Unterstützung für innovative Antibiotika erhalten. Die Gutscheine kommen indes erst ins Spiel, wenn die unsichere und kapitalintensive Phase abgeschlossen ist. Deshalb sind sie für KMUs weitgehend uninteressant. Wenn sich die Parlamentsposition einer Erweiterung der Möglichkeiten zur verpflichtenden Lizensierung durchsetzt, erwarten wir Verbesserungen beim globalen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten.
CDU/CSU:
Die geplante EU-Pharmastrategie zielt darauf ab, die Versorgung mit Arzneimitteln EU-weit möglichst zu vereinheitlichen. Mit Blick auf den globalen Zugang hat sich die Europäische Union in der Vergangenheit solidarisch mit anderen Ländern gezeigt. Eine generelle Reduzierung des Unterlagenschutzes sieht die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament problematisch.
Die Linke:
Für die Linke steht der universale Zugang zu Gesundheit für alle Menschen weltweit im Vordergrund. Auf Initiative von die Linke hin hat das Europaparlament die Freigabe von Impfpatenten beschlossen. Wir wollen eine öffentliche Hand, damit lebenswichtige Medikamente allen kostengünstige zur Verfügung stehen. Die Produktion und Verteilung von Medikamenten darf nicht Profitinteressen einzelner Pharmaunternehmen untergeordnet werden. Das Gutscheinsystem ist eigentlich ein Monopol-System, von denen ausschließlich große Pharmakonzerne profitieren und ihre Marktmacht zementieren werden. Der globale Zugang zu Medikamenten wird dadurch nicht gefördert.
SPD:
Wir unterstützen die vorgeschlagenen Verkürzungen des regulatorischen Datenschutzes. Für einen Binnenmarkt für Arzneimittel würde die Reform das derzeitige System weg von seinem einheitlichen Regulierungsschutz, hin zu einem wirksameren Anreizrahmen für Innovationen führen, der die Interessen der öffentlichen Gesundheit fördert. Wir brauchen Anreize für Medikamente, die wirklich einen ungedeckten medizinischen Bedarf decken. Die Exklusivitätsgutscheine als Anreiz für die Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel lehnen wir ab. Stattdessen schlagen wir die Schaffung von Anreizen wie Meilensteinzahlungen vor, die Unternehmen während der gesamten Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel unterstützen. Durch die gemeinsame Beschaffung von antimikrobiellen Mitteln in Verbindung mit einem Abo-Modell werden Einnahmen generiert, ohne dass das neue Medikament auf den Markt gebracht werden muss, wodurch das Umsatzvolumen vom Vertrag abgekoppelt wird und Marktversagen überwunden werden kann.
FDP:
Eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung und eine starke forschende Pharmaindustrie sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb ist eine erstklassige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nach unserer Auffassung nur durch die Erforschung neuer Wirkstoffe und deren Bereitstellung durch die pharmazeutischen Unternehmen in Deutschland und Europa möglich. Pharmazeutische Unternehmer haben somit eine hohe wirtschaftliche, soziale und ökologische Verantwortung in unserer Gesellschaft. Mit einem Umsatz von rund 49 Mrd. Euro und fast 140.000 Beschäftigten allein in Deutschland sind sie zusätzlich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber sowie Motor für Innovation. Die Verkürzung der Marktexklusivität stellt aus unserer Sicht nicht die richtigen Weichen für zukunftsfähige Rahmenbedingungen. Die Schwächung des Schutzes geistigen Eigentums reduziert den Anreiz für Unternehmen, in die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel zu investieren. Der Patent- und Unterlagenschutz ist ein Wettbewerbsmerkmal der EU. Eine Schwächung der Standortattraktivität könnte zu einer Abwanderung von F&E und Produktion führen und Abhängigkeiten verstärken.