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Uganda: tödliches gegen LGBTQ+ Communities gerichtetes Gesetz erlassen

Kann die Unterzeichnung durch Präsident Museveni noch vermieden werden?

Zum Foto: Ein ugandischer Mann trägt einen Aufkleber mit der Aufschrift "Some Ugandans Are Gay. Get Over It"  ("Einige Ugander sind schwul. Find‘ dich damit ab!") von Rebecca Vassie/dp (veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung)

Am 21. März 2023 hat das ugandische Parlament ein neues Anti-LGBTQ+-Gesetz verabschiedet. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni hat nun 30 Tage Zeit das Gesetz zu unterzeichnen, um es rechtskräftig werden zu lassen - oder abzuweisen. Internationaler Druck ist notwendig, um Museveni von der Schädlichkeit des Gesetzes zu überzeugen. Welche Mittel werden die Bundesregierung und die europäische Kommission einsetzen, um ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen? Zeigen sich Vertreter*innen und die Verbände der bundesdeutsche LGBTQ+ Community mit der Community in Uganda solidarisch bspw., indem Stellung bezogen und Druck auf die Bundesregierung aufgebaut wird mit der Bitte Einfluss geltend zu machen? Dies könnte bspw. durch die die Umsetzung und konsequente Anwendung es LSBTI-Inklusionskonzepts für Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit von 2021 geschehen, wie der Bundesverband der Lesben und Schwulenverband (lsvd) in einer Pressemitteilung vom 24.03.23 fordert. Die kommenden Wochen werden zeigen, welchen Stellenwert Menschenrechte, inklusive der Rechte für LGBTIQ+ Communities für die Bundesregierung, insbesondere für das Auswärtige Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in Wirklichkeit haben.

Uganda hatte schon einmal vor 10 Jahren eine Version dieses Gesetzes verabschiedet, das dann allerdings 2014 vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde.

Die neue Version dieses Gesetztes geht weit über das ursprüngliche Vorhaben hinaus.

Der neue Gesetzentwurf würde die LGBTQ+-Identität selbst kriminalisieren, mit Strafen, die Folgendes beinhalten:

  • lebenslange Haft für gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen einwilligenden Erwachsenen;
  • die Todesstrafe für "schwere Straftaten" (worum es sich bei „schweren Straftaten“ handeln könnte ist nicht definiert);
  • 20 Jahre für die "Förderung der Homosexualität" (eine entsprechende Gesetzgebung, bekannt als „Gay Propaganda Laws“ haben wir in Russland und einigen anderen Staaten: Konsequenz ist, dass jegliche Aufklärung über sexuelle Identität bspw. in Schulen oder in der Prävention kriminalisiert ist und unterbunden werden kann);
  • 10 Jahre Gefängnis für das Verbrechen der "versuchten“ Homosexualität (was das sein soll, ist ebenfalls nicht definiert: reicht ein Flirt oder eine Handlung, die als Flirt interpretiert werden könnte aus, um denunziert zu werden?);
  • 6 Monate Gefängnis oder eine Geldstrafe von 28.000 Dollar für jeden Ugander, der es versäumt, jemanden zu melden, von dem er annimmt, dass er gegen eine der Bestimmungen des Gesetzes verstößt (dass dies Misstrauen, Denunziantentum und Erpressbarkeit fördert ist offensichtlich, vgl. den Brief der Mütter von LGBTQ+ Personen unten)   

Westliche Staaten möchten bitte aufhören ihre Ansichten anderen Ländern aufzuzwingen, sagt Präsident Museveni 

„Bei der Verabschiedung des Gesetzes riefen die Parlamentarier immer wieder homophobe Kommentare. Eine der Abgeordneten forderte, Homosexuelle zu kastrieren. Parlamentspräsidentin Annet Anita Among sagte nach der Schlussabstimmung, ‚das Gesetz wurde in Rekordzeit verabschiedet‘. Das Gesetz muss noch von Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet werden, was als Formsache gilt. Jüngst hetzte Museveni wieder gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen. Homosexuelle seien abartig, sagte er in einer Parlamentssitzung, und forderte die westlichen Länder auf, ihre Ansichten nicht weiter anderen aufzuzwingen. In Uganda gab es bereits zuvor strenge Gesetze gegen Homosexualität, die in dem Land verboten ist“ schreibt die Deutsche Welle in einem Beitrag vom 22.03.23.

Das Anti-LGBTQ+-Gesetz würde auch die HIV-Behandlung in Uganda beeinträchtigen. HIV-Behandlungs- und Präventionsprogramme, die LGBTQ+-Ugander aufnehmen, würden illegal werden. Mitarbeiter*innen des Gesundheitspersonals, der Prävention oder auch in Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Versorgung von LGBTQ+-Communities und Aufklärung engagieren, würden zu Kriminellen abgestempelt. Betroffene Personen und Schutzsuchende, die für sie lebensrettende Gesundheitsdienste benötigen, würden aus Angst vor Verhaftung und Gewalt in den Untergrund getrieben. In Uganda entfallen etwa 25 % der HIV-Neuinfektionen auf kriminalisierte Menschen und ihre Partner*innen.

Die Verabschiedung dieses Gesetzes wird eine negative Signalwirkung entfalten und einen weiteren Anstieg von Gewalt und Diskriminierung auslösen und gleichzeitig eine äußerst schädliche Anti-LGBTQ+-Rhetorik und -Politik in Staaten wie Kenia, Tansania, Burundi, Ghana, Sambia und darüber hinaus schüren.

Fünffach erhöhte HIV-Prävalenz in Ländern, die Homosexualität kriminalisieren

Als Reaktion auf die Verabschiedung des Anti-Homosexualitäts-Gesetzes hat UNAIDS davor gewarnt, dass das Gesetz, sollte es in Kraft treten, äußerst schädliche Folgen für die öffentliche Gesundheit haben werde. Es beschneidet die Menschenrechte von Menschen mit HIV in Uganda und einigen, der am stärksten davon betroffenen Gruppen. Die UNAIDS-Direktorin für das östliche und südliche Afrika, Anne Githuku-Shongwe, betont in einer Pressemitteilung vom 22.03.2023:

"Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird es die Bemühungen Ugandas, AIDS bis 2030 zu beenden, untergraben, da es gegen grundlegende Menschenrechte, wie das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Leben, verstößt. Es wird die [Anmerkung: von HIV besonders betroffene] Communities von lebensrettenden Diensten fernhalten und das Gesundheitspersonal, einschließlich zivilgesellschaftlicher Gruppen, daran hindern, HIV-Prävention, Tests und Behandlung anzubieten. Die Beweislage ist eindeutig: Die Institutionalisierung von Diskriminierung und Stigmatisierung wird gefährdete Bevölkerungsgruppen weiter von lebensrettenden Gesundheitsdiensten abhalten. Untersuchungen in Afrika südlich der Sahara zeigen, dass in Ländern, die Homosexualität kriminalisieren, die HIV-Prävalenz unter Männern, die Sex mit Männern haben, fünfmal höher ist als in Ländern ohne solche Gesetze. Da dieses Gesetz die öffentliche Gesundheit untergräbt, wird es für alle schlecht sein. Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird es den Menschen in Uganda schaden. Es wird Leben kosten und die Zahl der HIV-Neuinfektionen in die Höhe treiben. Wir fordern die Regierung dringend auf, dieses schädliche Gesetz nicht zu verabschieden".

Der schädliche Gesetzesentwurf steht in krassem Gegensatz zu einer positiven Welle der Entkriminalisierung in Afrika und in der ganzen Welt, bei der in einigen Ländern schädliche Strafgesetze aus der Kolonialzeit abgeschafft wurden. Entkriminalisierung rettet Leben und kommt allen zugute. Obwohl der Gesetzentwurf vom ugandischen Parlament verabschiedet wurde, ist er noch nicht als Gesetz in Kraft getreten. Er kann im Interesse der öffentlichen Gesundheit und der Gleichberechtigung der ugandischen Bürger vom Präsidenten abgelehnt werden. Es ist noch nicht zu spät, dieses Gesetz abzulehnen und Leben zu retten, ergänzt UNAIDS in der Pressemitteilung.

Offener Brief an Präsident Museveni von Müttern von LGBTQ+ Personen

Der offene Brief der Mütter von LGBTQ+ Personen an Präsident Museveni ist ein beeindruckendes und lesenswertes Dokument, das von den gesellschaftlichen und familiären Auswirkungen, den Schmerz, der Angst, den Erwartungen und den Forderungen der Mütter spricht. Wenn das Gesetz, so wie vorgelegt unterschrieben wird, sind die unterzeichnenden Mütter und deren Familien in höchster Gefahr.  Mit großem Respekt für den Mut von Jane Nasimbwa, Sylvia Nassuna, Janet Ndagire, Patricia Naava, Jackie Nabbosa Mpungu, Florence Matovu Kansanze, Josephine Amonyatta, Shamim und Nakamate.

Der offene Brief: „Wir sind der Meinung, dass die Anti-Homosexuellen-Rhetorik und -Botschaften darauf abzielen, unsere Kinder zu erniedrigen und zu entmenschlichen, auch wenn sie als eine Form des Schutzes von Kindern vor "Rekrutierung" und einem Moralkrieg ausgegeben werden.

In den letzten Monaten haben wir als Eltern von LGBTQ+-Ugandern mit Beklemmung und zunehmender Sorge beobachtet, wie religiöse Fundamentalisten, öffentlich gewählte Beamte und Anti-Homosexuellen-Lobbyisten eine gefährliche Bewegung gegen unsere erwachsenen Kinder organisiert haben.

Wir gehen davon aus, dass die schwulenfeindliche Rhetorik und die Botschaften darauf abzielen, unsere Kinder zu erniedrigen und zu entmenschlichen, auch wenn sie als eine Form des Schutzes der Kinder vor "Rekrutierung" und einem moralischen Krieg ausgegeben werden. Wir bekräftigen nachdrücklich, dass man nicht versuchen kann, Kinder vor einem unsichtbaren Feind zu schützen, indem man eine gefährliche Anti-Homosexuellen-Botschaft und -Kampagne startet und aufrechterhält, die ungewollt die Kinder anderer Menschen gefährdet. Dies ist auf vielen Ebenen beleidigend, weil es ugandische Bürger, die sich als LGBTQ+ identifizieren, ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt.

Wir haben miterlebt, wie unsere Kinder verunglimpft und öffentlich gegeißelt wurden, d.h. verbal bedroht, körperlich angegriffen und missbraucht wurden für das, was sie sind und für das, was sie lieben, basierend auf unbegründeten, falschen und ungeprüften Behauptungen, wie z.B. der "Rekrutierung von Kindern und der Aushöhlung der ugandischen Kultur", alles in dem Versuch, Fakten zu verdrehen und die Ängste ugandischer Mitbürger zu manipulieren. Kein Elternteil sollte jemals in eine solche Lage gebracht werden, in der wir uns heute befinden, schon gar nicht von einer gesetzgebenden Körperschaft, die von den Ugandern gewählt wurde, um Gesetze zu vertreten und zu verabschieden, die alle Ugander schützen. Wir haben unsere Kinder immer geliebt, und das hat sich auch nicht geändert, als wir erfuhren, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell, transgender bzw. intersexuell sind.

Religiöse Fundamentalisten verurteilen unsere Kinder in den Mainstream-Medien und in den sozialen Medien weiterhin als Ausgestoßene und Kriminelle, die für das Gefängnis bestimmt sind. Es ist entsetzlich, diese Form der Hassrede gegen unsere Kinder zu beobachten.“

Denn anders sein ist kein Verbrechen!

„Wir verfolgen die Medien jeden Tag mit angehaltenem Atem, mit schwerem Herzen, mit einer Last der Angst, die uns vom Land aufgezwungen wurde, einer Angst davor, dass unsere Kinder für viele Jahre ins Gefängnis gehen, nur weil sie anders sind, denn anders sein ist kein Verbrechen.

Als Eltern von LGBTQ+-Personen sind wir keine "Förderer" irgendeiner Agenda; wir sind ugandische Mütter, die viele unserer eigenen Vorurteile überwinden mussten, um unsere Kinder vollständig zu verstehen, zu akzeptieren und zu lieben. Wir haben immer gewusst, dass unsere Kinder "anders" sind - von klein auf - und haben in vielerlei Hinsicht versucht, sie auf den Weg zu bringen, den wir für sicherer hielten, einen Weg der Konformität mit einer Norm, von der wir heute wissen, dass sie LGBTQ+ Kindern nicht angeboren ist.

Wir versuchten mit allen Mitteln, einschließlich Gebeten, Vorwürfen und verschiedenen Formen von Strafen, sie auf den Weg zu zwingen, von dem wir selbstsüchtig dachten, dass er für sie und für uns richtig wäre. Dabei drohten wir ungewollt, einem Kind die einzige Zuflucht zu nehmen, die es hat: ein sicheres und liebevolles Zuhause, frei von Gewalt, unrealistischen Erwartungen und Hass.“

Unsere Kinder sind keine der abwertenden Bezeichnungen, die man ihnen angehängt hat

„Alle unsere Kinder, unabhängig von ihrem Alter, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität, brauchen und verdienen unsere Liebe. Dies ist die eigentliche Grundlage für eine Familieneinheit. Das Zuhause ist mehr als nur eine Struktur, es ist ein sicherer Hafen und eine Zuflucht der Liebe, des Lernens und der Zugehörigkeit. So wie unsere Kinder sich nicht ausgesucht haben, LGBTQ+ zu sein, haben auch wir uns nicht ausgesucht, Eltern von LGBTQ+ Kindern zu sein, aber wir haben uns entschieden, unsere Kinder so zu lieben, wie sie sind. Als Eltern wünschen wir uns alle, dass unsere Kinder gesund, gut ausgebildet, erfolgreich und erfüllt sind, sowohl in ihrem beruflichen als auch in ihrem privaten Leben. Wir befürchten, dass unsere Kinder zur Zielscheibe von Mobgewalt werden, was eine direkte Folge davon ist, dass wir in einem Land leben, dessen Gesetzgeber mit diesem Anti-Homosexualitätsgesetz rücksichtslos Homophobie und Transphobie legalisieren. Wir wissen, dass dies wahr ist: Unsere Kinder sind keine Sünder; sie sind Kinder Gottes! Unsere Kinder sind keine Ausgestoßenen. Unsere Kinder sind keine Sandsäcke; unsere Kinder sind keine Feinde des Staates. Unsere Kinder sind nicht ekelhaft. Unsere Kinder sind keine der abwertenden Bezeichnungen, die man ihnen angehängt hat; unsere Kinder sind nicht kriminell oder staatsfeindlich. Unsere Kinder sind mehr als nur ihre Sexualität und Geschlechtsidentität. Unsere Kinder sind ugandische Staatsbürger, genau wie Sie und ich! Unsere Kinder sind hervorragende Bürger dieser großartigen Nation und leisten einen wertvollen Beitrag für dieses Land. Unsere Kinder sind Ihre Nachbarn, Arbeitgeber, Erzieher, Gelegenheitsarbeiter und Angestellte, Regierungsbeamte, Abgeordnete und lokale Führungskräfte. Unsere Kinder sind in jeder Facette der ugandischen Gesellschaft verankert. Sie sind Teil des schlagenden Herzens von Uganda: Unser Blut und unsere Zukunft.

Als Mütter können wir nicht länger tatenlos zusehen, wie unsere Kinder weiterhin auf so gefährliche und vorsätzliche Weise beschimpft und bedroht werden. Wir bitten Sie, unseren geschätzten Präsidenten, dem Anti-Homosexualitätsgesetz nicht zuzustimmen und stattdessen das Parlament zu beauftragen, Gesetze zu erlassen, die alle Kinder vor jeglicher Form von Gewalt und Diskriminierung schützen.“    

Von Jane Nasimbwa, Sylvia Nassuna, Janet Ndagire, Patricia Naava, Jackie Nabbosa Mpungu, Florence Matovu Kansanze, Josephine Amonyatta, Shamim, Nakamate

Diese beeindruckenden Worte der betroffenen Mütter stehen für sich und brauchen keine weitere Erläuterung.

Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass das oben erwähnte LSBTI-Inklusionskonzepts für Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung seine Wirkung entfaltet und damit über den Wert von bedrucktem Papier hinausgeht.

Die nächsten Wochen werden es zeigen. 

Quellen und weitere Informationen:

Peter Wiessner

wiessner@aktionsbuendnis-aids.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024