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HIV und COVID-19 in Ruanda

Interview mit Nooliet Kabanyana: Wir müssen für künftige Pandemien vorbereitet sein

Nooliet - Foto Alexej Stoljarov

Nooliet Kabanyana ist die Geschäftsführerin des ruandischen NGO-Forum für HIV/Aids und Gesundheitsförderung. In dieser Position vertritt sie die Organisationen auf nationaler und regionaler Ebene Sie hat jahrelange Erfahrung in der Stärkung und Positionierung zivilgesellschaftlicher Organisationen für eine optimale strategische Planung und Finanzierung. Nicht zuletzt ist Nooliet Mitglied im Global Fund Advocacy Network (GFAN Africa). Die Coronakrise hat einmal mehr gezeigt, wie labil das Gesundheitssystem in Ruanda ist. Aber auch, welche Bedeutung der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen auf kommunaler Ebene zukommt. Wir haben dieses Interview zur Vorbereitung unserer Konferenz „Get back on track! Der Beitrag des Globalen Fonds zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030“ geführt, die wir am 08. September 2022 mit Partnerorganisationen realisieren, auch um die hier aufgeworfenen Fragen vertiefend zu diskutieren. Zur Anmeldung und zum Programm der Konferenz geht es hier: https://forms.gle/c9bfxmVit9tyn31cA

Ruanda hat in den letzten zehn Jahren, nicht zuletzt durch internationale Programme, große Fortschritte in der Bekämpfung von Malaria und HIV verzeichnen können. So ist die Malaria-Inzidenz im Land zwischen 2017 und 2020 um mehr als zwei Drittel gesunken, die Zahl der Malariafälle konnte um 76 Prozent reduziert werden. Wurden 2017 noch 4,8 Millionen Fälle registriert, waren es 2021 rund 1,1 Millionen. Neben Lesotho und Malawi gehört Ruanda zu jenen Ländern der Region mit der größten Reduzierung von HIV-Neuinfektionen und Aids-bedingten Todesfällen.

Auswirkungen der COVID-19 Krise

Doch wie in vielen anderen Staaten sind auch in Ruanda diese Erfolge in Gefahr, sollten die Anstrengungen nachlassen. Die Covid-19-Krise hat die Situation zudem verschärft. „Frauen und Mädchen seien am stärksten durch die von der Pandemie ausgelösten Verwerfungen betroffen, erklärt Kabanyana. Insbesondere Alleinstehende haben als Frauen, die zumeist ohnehin in unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, meist als erste ihre Jobs verloren – und damit das notwenige Einkommen um sich und ihre Familien ausreichend und gesund ernähren zu können.

Im Zuge der Lockdowns wurden nicht nur Schulen, sondern auch niedrigschwellige Einrichtungen zur Beratung zu sexueller und reproduktiver Gesundheit geschlossen. Die Folge: die Zahl ungewollter Schwangerschaften stieg, viele Mädchen konnten aufgrund von Armut und Teenagerschwangerschaften nicht wieder zur Schule gehen.

Für Nooliet Kabayana war der Beginn der Coronakrise 2020 eine Zäsur und der Beginn einer beängstigenden Zeit, wie sie im Interview erklärt „Unsere Regierung war darauf nicht vorbereitet. Zugleich haben wir feststellen müssen, dass auch die Community nicht stark genug ist, um diese neuen Herausforderungen allein zu meistern.“

Die Bedeutung der Überwachung von Dienstleistungen durch Communities

Dennoch gelang es, wichtige Lücken in der Beratung, Information und Hilfe zu schließen. Dabei habe sich gezeigt, wie wichtig das Community-bezogene Monitoring ist, dass also Menschen, die selbst von den jeweiligen Krankheiten und Problemen betroffen sind, die Angebote insbesondere im Gesundheitsbereich überwachen, die sie selbst in Anspruch nehmen.

Dazu müssten diese Menschen jedoch die Programme verstehen, die installiert wurden. Sie müssen wissen, wie sie die Probleme, die sie dabei erkennen, melden können, erklärt Nooliet Kabanyana. Dazu bedürfe es eines entsprechenden Systems, in dem Community und nationalen Strukturen miteinander verbunden sind. Das ermögliche zum einen, ganz konkrete Bedarfe zu erkennen und unmittelbar und zielgerichtet agieren zu können. Sei es, wie in den Monaten des Lockdowns, Lebensmittel und Hygieneartikel an Bedürftige zu liefern, Moskitonetze zum Schutz vor Malaria zu verteilen oder stadteilnahe Beratungsangebote zur sexuellen Gesundheit und Schwangerschaftsverhütung anzubieten.

Die Bedeutung verlässlicher Strukturen und der CCMs

„Die Lücken, die wir auf diese Weise erkennen, müssen wir schließen und verlässliche Strukturen schaffen. Und nicht zuletzt müssen wir die Community so stärken, dass sie diese Aufgaben erfüllen kann.“ Nur so könnten etwa die nicht zuletzt dank des Globalen Fonds aufgelegten HIV-, Tuberkulose- und Malaria Programme letztlich auch effektiv durchgeführt werden.

Der Globale Fonds hat in den Ländern, in denen er tätig ist, über die Jahre Strukturen aufgebaut, in denen Schlüsselakteur*innen unterschiedlichster Ebenen, wie bspw. aus Regierung, Zivilorganisationen, Community und der Wissenschaft zusammenkommen, um gemeinsam zu beraten, wo sich Lücken befinden und welche mit welchen finanziellen Mitteln geschlossen werden können. Der Country Coordination Mechanisms (CCM) sei ein durchaus entscheidendes Gremium, denn es entscheidet über Prioritäten, sagt Kabayana. Deshalb ist es auch so wichtig, dass hier auch die Stimme der Community und Schlüsselgruppen vertreten sind, damit deren Prioritäten berücksichtigt werden.“

Man kann dann davon ausgehen, dass es auch funktioniert

Und eine zentrale Rolle, betont sie, komme hier Frauen zu. „Wenn sie etwas anpacken um ein Programm implementieren, kann man davon ausgehen, dass es auch funktioniert“, fasst sie ihre Erfahrungen aus vielen Jahren zivilgesellschaftlicher Arbeit zusammen. „Wenn Frauen entsprechend befähigt und bekräftigt sind, um Vorreiterinnen und ein bedeutendes Rollen etwa bei der Reduzierung der HIV- Infektion oder der Eliminierung von Malaria spielen zu können.“

Sie verdeutlich dies an einem Beispiel: Eine Mutter, die wisse, wie sie Netze aufhängen müssen, um ihr Kind vor Moskitos zu schützen, kann auch ihrem Ehemann, den Nachbar*innen und Freund*innen das notwendige Wissen vermitteln und damit langfristig Denk- und Handlungsweisen verändern.“ Und nicht zuletzt Leben retten. Denn Kinder unter fünf Jahren, die an Malaria erkranken, haben ein extrem hohes Risiko, daran zu versterben.

44 Millionen an Tuberkulose, Malaria und HIV erkrankte Menschen konnten in den vergangenen 20 Jahren durch den Globalen Fonds das Leben gerettet werden.“ Wir sehen heute, welches Vertrauen dem Globalen Fonds geschenkt wird und wie viel durch ihn erreicht werden konnte, sagt Nooliet Kabayana. Der Globale Fonds, und damit auch wichtige Geldgeber wie Deutschland, haben so vielen Familien in Afrika wieder Zuversicht gegeben und auch jenen ein Lächeln im Gesicht gezaubert, die durch diese Krankheiten Angehörige verloren haben.“

Der nun anstehenden siebten Auffüllungskonferenz komme daher ganz besondere Bedeutung zu. Denn nur wenn alle Geberländer, und eben auch Deutschland, ihren Beitrag erhöhen, sei der Globale Fonds in der Lage, die Gesundheitssysteme von Ländern weiter aufzubauen, die dies aus eigener Kraft nicht schaffen. Und ohne diese Aufbauarbeit in den letzten 30 Jahren hätten viele Länder nicht so effektiv auf die Covid-19 Pandemie reagieren können, wie dies möglich war. Um diese Aufgaben fortsetzen zu können braucht es aber ausreichende Mittel für den Globalen Fonds.

Zur Person: Nooliet Kabanyana ist die Geschäftsführerin des ruandischen NGO-Forum für HIV/Aids und Gesundheitsförderung. In dieser Position vertritt sie die Organisationen auf nationaler und regionaler Ebene Sie hat jahrelange Erfahrung in der Stärkung und Positionierung zivilgesellschaftlicher Organisationen für eine optimale strategische Planung und Finanzierung. Nicht zuletzt ist Nooliet Mitglied im Global Fund Advocacy Network (GFAN Africa).

Text: Axel Schock

Interview: Melanie Otto und Peter Wiessner

Foto: Alexej Stoljarov

Kontakt: info@aids-kampagne.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024