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„Der Globale Fonds hat dazu beigetragen mein Leben zu retten"

Interview mit Joyce Ouma aus Kenia, zur Vorbereitung unserer Konferenz "Global Health Champion Germany? Von HIV zu SARS-CoV-2. Was haben wir (nicht) gelernt?"

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Dieser Text basiert auf einem Interview, das wir im Vorfeld der virtuellen Konferenz "Global Health Champion Germany? Von HIV zu SARS-CoV-2. Was haben wir (nicht) gelernt?" Wenn Sie mehr über die Auswirkungen von COVID-19 auf die HIV-, Tuberkulose- und Malariaprogramme des GFATM und auf Gemeinden erfahren möchten, melden Sie sich bitte für die virtuelle Konferenz an, die am 1. Dezember 2021 stattfinden wird. Als Joyce Ouma kurz vor ihrem Schulabschluss ihre HIV-Diagnose erhielt, musste sie erleben, wie Freund*innen und sogar auch Verwandte sich von ihr abwendeten. Vor solchen Erfahrungen möchte die heute 24-Jährige insbesondere andere junge Frauen bewahren und engagiert sich deshalb in verschiedenen Gremien des Global Fund. Text: Axel Schock, Fotos: Joyce Ouma

Was sie zu ihrem Engagement motiviert? Joyce Ouma antwortet auf diese Frage prägnant und ohne lange nachzudenken: „Meine Leidenschaft und meine Erfahrungen“. Und die 24-Jährige engagiert sich in der Tat seit einigen Jahren mit enormer Energie und Enthusiasmus auf unterschiedlichsten Ebenen dafür, dass die Situation für Menschen mit Malaria, Tuberkulose und insbesondere mit HIV sich in ihrem Heimatland Kenia bessert – medizinisch wie gesellschaftlich. Sie arbeitet unter anderem für das National Empowerment Network of People Living with HIV and AIDS in Kenya (NEPHAK), ist Mitglied sowohl im Global Fund Speakers Office, des Global Fund Board und des Global Fund Youth Council. Auch in der Women 4 Global Fund’s Strategy Working Group ist sie aktiv.

„HIV ist eine Realität, die uns alle betrifft, das Virus macht uns nicht zu etwas anderem. Dies ist eine der Botschaften, die ich in die Gesellschaft tragen möchte“, sagt Joyce Ouma. Zu ihrer ganz persönlichen Mission gehört jedoch auch, dazu beizutragen, dass junge Frauen, die mit HIV leben, nicht nur eine Therapie bekommen, sondern „grundsätzlich größtmögliche Qualität an Gesundheitsversorgung erhalten, die die Community und die Regierung ihnen bieten kann.“

Überlebenswichtige Unterstützung

Joyce weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig diese Unterstützung ist, und zwar überlebenswichtig. Und auch, wie schwierig die Situation gerade für Mädchen und junge Frauen immer noch ist. „Klimabedingt zählt Kenia weltweit mit die meisten Malaria-Erkrankungen“, erklärt Joyce Ouma. Zudem verzeichnet das ostafrikanische Land immer noch eine der höchsten HIV-Infektionsraten. Und gerade junge Frauen sind besonders gefährdet.

Joyce war noch Schülerin und schloss in einem Internat gerade die Sekundarstufe ab, als sie ihre HIV-Diagnose erhielt. Die Reaktionen bewegten sich zwischen Mitleid und Ausgrenzung. Selbst einige Verwandte brachen den Kontakt zu ihr ab. Es dauerte einige Jahre, bis Joyce sich aus diesem seelischen Tief befreien und ihr Leben wieder unter Kontrolle bekommen konnte.

Inzwischen hat sie sich nun ein Umfeld aus Menschen aufgebaut, für die die HIV-Infektion kein Problem darstellt, sondern einfach zu Oumas Leben dazu gehört. Und noch wichtiger für sie: Es sind Menschen, die sie in ihrem Engagement unterstützen. Denn Joyce Ouma hatte ich vorgenommen, ihren Teil dazu beizutragen, dass sich die Situation für andere Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, verbessert. Zum Beispiel indem sie als Mitglied des Global Fund Advocates Network (GFAN) Zugang zu Fürsprecher*innen und Plattformen nutzt, um ihre eigene Agenda des NEPHAK voranzubringen, als auch um Gelder für den Globale Fund zu sammeln.

Selbst einfache Mittel wie Insektennetze schützen vor Malaria

Dem Global Fund, sagt Joyce Ouma, habe sie nicht zuletzt ganz persönlich sehr viel zu verdanken. „Durch ihn erhalte ich, wie so viele andere Menschen mit HIV auf der ganzen Welt, die lebensnotwendigen HIV-Medikamente. Und seit ich in Therapie bin, habe ich keinen einzigen Tag darauf verzichten müssen. Das hast mir wahrscheinlich das Leben gerettet.“

Was die Malaria-Bekämpfung angeht, konnten durch den Global Fund unter anderem ganz einfache, aber wirkungsvolle Hilfe ermöglicht werden – nämlich Moskitonetze. „Heute muss keine Familie mehr ohne diesen Insektenschutz schlafen“, erklärt Joyce Ouma. Für die Behandlung der Tuberkulose wurde zudem umfangreich in Medikamente wie in Krankenhausausstattung investiert.

Für Ouma aber ist von besonderer Bedeutung, welche Anstrengungen der Global Fund in Kenia unternommen hat, um die Lebenssituation von Menschen mit HIV zu verbessern bzw. die HIV-Infektionsrate zu senken. Etwa 1,7 Millionen Menschen mit HIV leben in Kenia, fast 80 Prozent von ihnen sind in Therapie (Stand 2020). „Die Zahl der Aidstoten ist weltweit deutlich gesunken, und unser Land hat an diesem Erfolg einen sichtbaren Anteil daran“, sagt Joyce Ouma. „Der Global Fund hat das Leben für uns ein entscheidendes Stück besser gemacht“.

Transparenz und Vertrauen

Für Joyce Ouma hieß das konkret: HIV-Medikamente zu erhalten und bei Global Fund-finanzierten Projekten psychosoziale Angebote wahrnehmen zu können. Mittlerweile hat sie gewissermaßen die Seiten gewechselt und arbeitet als Community-Verwerterin direkt mit dem Global Fund zusammen. Sie schätze nicht nur die Transparenz, sondern dass die Community von der Entwicklung eines Projektes bis zu dessen Umsetzung mit eingebunden werde.

„Ich bin vor allem auch sehr glücklich darüber, dass insbesondere junge Frauen im Zentrum der Aufmerksamkeit des Global Fund stehen.“

Dass mittlerweile in so vielen Ländern der Subsahara speziell Initiativen von und für junge Menschen gefördert werden, und ihnen so viel Vertrauen entgegengebracht wird, findet sie einfach nur „sensationell“. „Wahrscheinlich gibt es keine Organisation, die Projekte in einem solchen Tempo umsetzen kann.“

Doch für Joyce Ouma ist es an der Zeit, die Strukturen zu überdenken. „Wir alle haben eine gemeinsame Mission, nämlich HIV, Malaria, Tuberkulose und nun auch Covid-19 zu eliminieren. Bislang bedeutete dies vor allem, dass die finanzielle

Unterstützung nur an Regierungen ging und die Zivilgesellschaft außen vorgelassen wurde“, erklärt die Aktivistin. Doch es sei nun an der Zeit, die Dinge etwas anders anzugehen. „Denn inzwischen haben sich in der Zivilgesellschaft Kräfte und Kapazitäten entwickelt, die es den Communitys ermöglichen, die Dinge auch selbst in die Hand zu nehmen“, ist sie sich sicher. Die Communitys leisteten schon lange eine, wie Oumo betont, „nicht unwesentliche und ergänzende Arbeit“ zu dem, was von Regierungsseite an Hilfe und Dienstleitungen angeboten werde. „Die Communitys tragen Verantwortung, sie haben die Fähigkeiten, die Expertise – und wir wissen aus der eigenen Erfahrung, worum es geht“, unterstreicht Joyce Ouma ihre Forderung: „Wir wissen genau, was funktioniert und warum.“ Gerade in den Netzwerken junger Menschen bestünden ideale Voraussetzungen, um passende Programme zu implementieren und umzusetzen, und damit bereits bestehende Programme, etwa zur HIV-Prävention, zu ergänzen. Die zweigleisige Finanzierung, wie sie vom Global Fund praktiziert werde, klinge zwar perfekt, aber eben nur auf dem Papier, kritisiert Joyce Ouma. „Wenn es aber auf die Länderebene geht, etwa um Antrags- und Finanzierungsprozesse und zuletzt um die Verteilung der Gelder, steht die Regierung immer an erster Stelle und erhält den größten Anteil der Förderungen“.

Communities benötigen auch eine direkte Finanzierung

Durch die Corona-Pandemie sind auch viele der Community-Projekte noch weiter unter Druck geraten und Joyce Ouma fürchtet, dass sich mit Covid-19 weltweit die Prioritäten verschieben – und zwar zu Lasten der anderen Epidemien. „Wir müssen sehr aufpassen, dass wir die bei der Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose und HIV gesetzten Ziele nicht verfehlen.“

Covid-19 hat auch in Kenia vor allem die Ärmsten und ohnehin schon Benachteiligten besonders hart getroffen. Durch die Pandemie haben insbesondere in der Hauptstadt Nairobi viele Menschen ihre Jobs verloren und mussten in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Dort allerdings können sie nur selten ihre HIV- oder Tuberkulose-Behandlungen fortsetzen. Andere können sich aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit das Fahrgeld für den Klinikbesuch selbst innerhalb Nairobis nicht leisten.

Joyce Ouma berichtet, dass pandemiebedingt Gruppenangebote wie jene speziell für junge Menschen mit HIV ausgesetzt werden mussten, weil aufgrund der Corona-Bestimmungen solche Treffen derzeit nicht möglich sind. Sie nennt noch eine weitere, wenig beachtete Folge der Pandemie: Während früher den Patient*innen fast unbegrenzt Zeit für Beratung in den Versorgungseinrichtungen zur Verfügung stand, sind die Klinken durch Covid-19 so stark belastet, dass die Arzttermine eng getaktet und nicht mehr spontan möglich sind. „Für ein ausführliches Gespräch bleibt daher kaum mehr Zeit“, bedauert Joyce Ouma. „Das ist gerade bei psychischen Erkrankungen, wie wir sie bei jungen Menschen mit HIV oft erleben, problematisch.“

Covid-19 habe Kenia völlig unvorbereitet getroffen. Weil es an Krankenhausbetten fehlt, mussten Patient*innen in Zelten versorgt werden. „Diese Krise hat überdeutlich gezeigt, wie schlecht ausgestattet unsere Klinken sind und wie notwendig ein belastungsfähiges Gesundheitssystem sei. Alleine kann das Schwellenland Kenia diese Herausforderung jedoch finanziell nicht stemmen. Deshalb wird Joyce Ouma auch weiterhin dafür arbeiten, diese Situation zu verbessern. Denn es geht, wie sie betont, um grundlegende Menschenrechte. „Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Zugang den wesentlichen Gesundheitsdiensten, und dazu gehörten selbstverständlich auch die HIV-Therapie und alle Aspekte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit.“

Danke an Axel Schock für den Text und an Joyce Ouma, für den Einblick in ihre Geschichte

Anmeldung: Konferenz "Global Health Champion Germany?! Von HIV bis SARS-CoV-2 - Was haben wir (nicht) gelernt?" hier

Weitere Informationen: www.aids-kampagne.de

info@aids-kampagne.de

November 2021

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024