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Aktuelle Analyse

Darstellung der finanziellen Anstrengungen für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) im Jahr 2020 und Perspektiven für 2021

ben white - unsplash

Die OECD publiziert jährlich Mitte April vorläufige Angaben über die finanziellen Beiträge für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) im Vorjahr. Aufgrund der COVID-19-Pandemie scheinen diese für die globale Gerechtigkeit und Solidarität essenziellen Daten eine geringe mediale und politische Aufmerksamkeit zu erfahren. Dabei hat die Krisenreaktion zu einer außergewöhnlichen Dynamik bei der internationalen Finanzierung von Entwicklung insbesondere im Bereich der Gesundheitsförderung geführt.

Die hier publizierten Übersichten zeigen zentrale Ergebnisse der Analysen zu den realen Transferleistungen der wirtschaftlich privilegierten Staaten für die humane Entwicklung im Allgemeinen und die Gesundheitsförderung im Besonderen. Der Umfang und die wirksame Gestaltung dieser Form der globalen Umverteilung von Ressourcen bilden entscheidende Voraussetzungen für die Verbesserung der Lebenschancen der benachteiligten Bevölkerung und der Menschheit in ihrer Gesamtheit. 

Unsere Analysen beruhen auf der systematischen Überprüfung und Klassifizierung aller relevanten Projekte und Finanzströme, wie sie in den OECD-Informationssystemen erfasst sind. Zusätzlich erfolgte eine umfangreiche internetbasierte Recherche zu den Zielen und Strategien aller Maßnahmen, für die relativ bedeutende Finanzmittel ausgezahlt wurden. So konnte ein deutlich höherer Grad der Differenzierung und Genauigkeit erreicht werden, was die für eine Bewertung maßgeblichen Dimensionen angeht. Dazu gehören z.B. die realen finanziellen Anstrengungen in Relation zur Wirtschaftskapazität, die tatsächliche Mittelverteilung nach Programmgebieten und Empfängerländern, der valide Vergleich zwischen Geberstaaten und im Zeitverlauf sowie die notwendige Unterscheidung zwischen der genuinen Kooperation in Form von transferierten Zuschüssen und den meist mit finanziellen Gewinnen verbundenen Darlehen und Kapitalbeteiligungen oder angerechneten Aufwendungen im Inland. Die Auswertung der einschlägigen Titel der Bundeshaushalte von 2020 und 2021 erlaubt zudem einen ersten Blick in die laufenden Trends der deutschen ODA-Leistungen.

Die gewählte Darstellung mithilfe von Diagrammen kombiniert mit den wesentlichen Erläuterungen und Schlussfolgerungen ermöglicht es, wichtige Aspekte schnell zu erfassen. Während die erste Präsentation die Leistungen für die Entwicklungsfinanzierung insgesamt beleuchtet, ist die zweite Grafikserie den Finanzbeiträgen für den lebenswichtigen Bereich der Gesundheit einschließlich der neuesten Zusagen für die COVID-19-Bewältigung gewidmet.

Wichtige Ergebnisse sind unter anderem:

Deutschlands ODA-Quote im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (BNE) als Gradmesser der Wirtschaftskapazität erreichte unter Berücksichtigung der genuinen ODA-Transferleistungen im Jahr 2020 ein Niveau von 0,54 % und lag voraussichtlich 2021 mit rund 0,56 % noch etwas über dieser Marke.
Ohne die von der OECD autorisierte Anrechnung von auf dem Kapitalmarkt aufgenommenen Krediten, Kosten für Geflüchtete im Inland und anderen Inlandsaufwendungen beläuft sich der genuine Beitrag Deutschlands aktuell damit auf vier Fünftel des UN-Richtwerts von 0,7 % des BNE.
Im Vergleich zu 2019 wuchs der Gesamtumfang der ODA-Transferleistungen im Jahr 2020 um rund 3 Milliarden Euro und für 2021 ist mit einer Erhöhung der Gesamtmittel für die Entwicklungszusammenarbeit von rund 4,6 Milliarden Euro (nach konstanten Wechselkursen und Preisen von 2019) zu rechnen.
Während Deutschlands finanzielle Anstrengungen für die globale Gesundheit zwischen 2014 und 2019 lediglich von 0,03 auf 0,04 % des BNE anwuchsen und somit deutlich unter der WHO-Empfehlung von 0,1 % der Wirtschaftsleistung blieben, führen die zusätzlichen Mittel für die Krisenreaktion zu einem sprunghaften Anstieg. Nach unseren Berechnungen und Projektionen hat sich ihr Anteil am BNE im Jahr 2020 auf ca. 0,07 % erhöht und 2021 dürften die gesundheitsspezifischen ODA-Zuschüsse zum ersten Mal die vor zwei Jahrzehnten formulierte Zielmarke überschritten haben.
Deutschland verzeichnete bei seinen Beiträgen für die Verbesserung der Gesundheitssituation in den benachteiligten Weltregionen über die Jahre 2015 bis 2019 einen Fehlbetrag von rund 11 Mrd. Euro (von den erforderlichen gut 17 Mrd. Euro wurden nur etwas mehr als 6 Mrd. Euro aufgebracht).
Die von allen Geberstaaten bereitgestellten ODA-Leistungen für Gesundheit lagen 2015 bis 2019 deutlich unter der Hälfte des Zielniveaus und die insgesamt bescheidenen Aufstockungen der Gesamtbeiträge für die Entwicklungskooperation im Jahr 2020 lassen darauf schließen, dass trotz der immensen Herausforderung durch die Corona-Pandemie weiterhin kaum 50 % der WHO-Empfehlung erreicht wurden (allerdings sind die möglichen Umschichtungen aus anderen Förderbereichen zugunsten von Gesundheitsmaßnahmen noch nicht genauer abzuschätzen).
Insbesondere die internationale Finanzierung der Gesundheitsversorgung hängt von nur wenigen Geberstaaten ab, was erhebliche Risiken für die Dauerhaftigkeit lebensnotwendiger Dienste in den ärmsten Ländern impliziert. Eine besonders fragile Situation ist bei der Bewältigung der HIV-Pandemie festzustellen, da die bilaterale Kooperation durch die USA annähernd 70 % aller ODA-Zuschüsse ausmachte, die für die Überwindung dieser kritischen Bedrohung der globalen Gesundheit bereitgestellt wurden. 
Die Finanzierungszusagen für die globale Initiative zur Beschleunigung des Zugangs zu COVID-19-Instrumenten, die bislang von Regierungen der Hocheinkommensländer dokumentiert sind, belaufen sich zurzeit nur auf 40 % des dringlichen Gesamtbedarfs. Deutschland befindet sich bei den vorgesehenen finanziellen Anstrengungen in Relation zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten auf dem zweiten Rang hinter Norwegen, wobei Anlass für die Vermutung besteht, dass der relativ hohe Beitrag die eigene Blockadehaltung gegen die befristete Freigabe der Monopolrechte auf Medizintechnologien kaschieren soll, die für eine effektive Bezwingung der COVID-19-Pandemie so rasch und breitenwirksam als möglich einzusetzen sind.

Die Autoren Tilman und Joachim Rüppel von medmissio sind gerne bereit weitere Auskunft zu geben.

Die Dokumente zum Download

 

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024