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Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel

Kein Patentschutz auf lebensnotwendige Medikamente und Impfstoffe

3th World network - twitter

Das Aktionsbündnis gegen AIDS richtet sich mit Kooperationspartner/innen in einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel. Der Brief kommt zur rechten Zeit. Heute wurde bekannt, dass die Firmen Pfizer und Biontech bei der EU ihren Impfstoff für 54,08 Euro pro Dosis bei 500 Millionen Dosen verkaufen wollten, was insgesamt Einnahmen in der Höhe von von 27 Mrd. Euro bedeutet hätte. Die Firmen begründeten den hohen Preis mit der mit glatten Lüge, dass sie den Impfstoff selbst finanziert hätten. Bundeskanzlerin Merkel betonte bereits im Frühjahr 2020, dass ein SARS-COV-2 Impfstoff als „globales öffentliches Gut“ gesehen werden muss. Dazu bedarf es eines weltweiten solidarischen Handelns. In dem offenen Brief wird die Bundeskanzlerin darum gebeten sicherzustellen, dass die Bundesregierung bei der Frage der Impfstoffgerechtigkeit vorangeht. Dazu sollte Deutschland den bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingebrachten Vorstoß von Indien und Südafrika zur zeitweiligen Aussetzung von Regelungen zu Patenten (TRIPS Waiver) für die Produktion von SARS-COV-2 Impfstoffen ausdrücklich unterstützen. Leider gesellt sich auch Deutschland zu den Industrienationen, die sich gegen den Waiver Vorschlag richten. Die Grafik des 3th World Network zu den Opponenten und Unterstützern des Waiver Vorschlags verdeutlicht eindrücklich, dass es, in Bezug auf die "globale Solidarität" ein starkes Nord-Süd Gefälle gibt

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

der Zugang zu bestmöglicher Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht, dessen Verwirklichung sich in Zeiten der Covid-19 Pandemie ganz besonders an der Frage des Zugangs zu Impfstoffen manifestiert, die für die Verminderung der dramatischen Sterberaten und letztlich die Überwindung der Pandemie essenziell sind. Auch Sie betonten bereits im Frühjahr 2020, dass ein SARS-COV-2 Impfstoff als „globales öffentliches Gut“ gesehen werden muss. Dazu bedarf es eines weltweiten solidarischen Handelns.

Als Zusammenschluss von international arbeitenden Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen betrachten wir die ungerechte Verteilung von Impfstoffen zur Eindämmung von Covid-19 mit großer Sorge. „Die Welt steht am Rande eines katastrophalen moralischen Versagens“ warnte auch der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, mit eindringlichen Worten.

Die bisherige Entwicklung der COVAX-Initiative zeigt deutlich, dass diese auf freiwilliger Zusammenarbeit basierende Initiative kein hinreichendes Instrument darstellt, um einen fairen Zugang für alle Menschen zu gewährleisten. Bereits das bescheidene Zwischenziel von COVAX, Impfstoffe für 20% der Bevölkerung in 92 Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen bis Ende 2021 bereitzustellen, wird voraussichtlich nicht erreicht werden. 

Dabei drängt die Zeit: Schon heute sind die gesundheitlichen und sozioökonomischen Folgen für die ärmsten Bevölkerungsgruppen der Welt dramatisch. Millionen Menschen haben ihre Einkommensmöglichkeiten verloren. Benachteiligte Länder verfügen selbst bei regional auftretenden Infektionsherden und niedrigen Inzidenzen nicht über die wirtschaftlichen Reserven, um die Folgen von Lockdowns abzufedern und ein weiteres Abdriften in Armut aufzuhalten.

Das betrifft selbst solche Länder, die bisher noch nicht von der vollen Wucht der Pandemie getroffen wurden. Und solange das Virus sich in einigen Weltregionen ungebremst ausbreitet, besteht eine hohe Gefahr der Entwicklung von resistenten Varianten, die eine durchgreifende Bekämpfung der Pandemie in nicht vorhersehbarer Weise erschweren.

Es braucht daher schnelle und weitreichende Maßnahmen für einen gerechten Zugang zu Covid-19-Innovationen: Um den weltweiten Zugang zu beschleunigen, ist die Verbreitung von Know-how und Technologien für Covid-19-Impfstoffe und Medikamente sowie die ausreichende Versorgung mit weiteren essenziellen Gütern wie Schutzausrüstung und Diagnostika zur Überwindung der Gesundheitskrise notwendig. Rechte des geistigen Eigentums auf Covid-19-Produkte dürfen der Eindämmung der Pandemie nicht im Wege stehen und sollten daher mindestens für die Dauer der Pandemie außer Kraft gesetzt werden.

Aus diesen Gründen sind wir sehr erfreut darüber, dass die Frage der Patente sowie die Forderung nach einem temporären Aussetzen von Regelungen über Rechte des geistigen Eigentums bei der WTO (TRIPS Agreement) nun auch von prominenten Mitgliedern der in der Regierungskoalition vertretenen Parteien aufgegriffen wurden. So sprach Ministerpräsident Markus Söder von einer „Not-Impfstoffwirtschaft“ mit klaren Vorgaben des Staates, um „alle Produktionskapazitäten so umzustellen, dass mehr Impfstoff produziert wird", und MdEP Manfred Weber ließ verlautbaren, dass zugelassene Impfstoffe im Notfall mit einer „Zwangslizenzierung" produziert werden müssen.

Die Forderung nach einer strukturellen Veränderung beim Umgang mit Patenten aus dem deutschen und europäischen Politikraum, der sich auch die WHO und in einem gerade veröffentlichten Brief mehr als 200 Organisationen aus Ländern des Globalen Südens angeschlossen haben, senden ein richtiges und wichtiges Signal! Wir unterstützen diese Forderung ausdrücklich sowohl aus epidemiologischer als auch aus menschenrechtlicher Perspektive, die zugleich die notwendige globale Perspektive enthält. Denn die Covid-19 Pandemie ist erst dann vorbei, wenn sie für alle vorbei ist.

Wir appellieren daher an Sie, Frau Bundeskanzlerin, dass die Bundesregierung bei der Frage der Impfstoffgerechtigkeit vorangeht. Dazu sollte Deutschland den bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingebrachten Vorstoß von Indien und Südafrika zur zeitweiligen Aussetzung von Regelungen zu Patenten (TRIPS Waiver) für die Produktion von SARS-COV-2 Impfstoffen ausdrücklich unterstützen.

Darüber hinaus sollte die Bundesregierung die WHO-Initiative des Covid-19-Technologiepool (C-TAP) unterstützen, um mit einem Technologietransfer die schnelle Produktionsausweitung voranzutreiben.

Mit diesen Maßnahmen kann die von Ihnen formulierte Vorgabe, dass Covid-19 Impfstoffe als „globales öffentliches Gut“ anzusehen und „in alle Teile der Welt zu verteilen“ sind, weltweit umgesetzt werden.

Auf diese Weise kann Deutschland seiner Vorreiterrolle in der globalen Gesundheitspolitik gerecht werden. 

Hochachtungsvoll

  • Aktionsbündnis gegen AIDS
  • Ärzte der Welt
  • Brot für die Welt
  • BUKO Pharma-Kampagne
  • Difäm – Deutsches Institut für Ärztliche Mission e.V.
  • Medico international
  • Missionsärztliches Institut Würzburg
  • UAEM - Universities Allied for Essential Medicines
  • World Vision Deutschland e.V.

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024