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HIV, LGBTI und Menschenrechte in Kenia

Diskussion mit dem HIV- und Menschenrechtsaktivisten Allan Maleche

Teilnehmende der Diskussion mit Allan Maleche in der Deutschen AIDS Hilfe, Foto: Peter Wiessner

Am 05 Juni 2019 fand in den Räumen der Deutschen Aidshilfe eine Diskussion mit Allan Maleche aus Kenia statt. Allan ist als Mitglied der NGO Delegation Board Member des Globalen Fonds, er ist HIV und Menschenrechtsaktivist, Executive Direktor der Menschenrechtsorganisation KELIN in Kenia und hat aufgrund seiner beeindruckenden Arbeit während der letzten Welt AIDS Konferenz den Elisabeth Taylor Menschenrechtspreis erhalten. Zu dem Austausch eingeladen hatten die Freunde des Globalen Fonds und das Aktionsbündnis gegen AIDS. Es wurden viele Fragen diskutiert, bspw. zur Situation von Menschen mit HIV in Kenia und anderen afrikanischen Ländern, zu Stigma und Diskriminierung, sowie der Situation von LGBTI Communities und anderen von afrikanischen Gesellschaften oft ausgegrenzten Gruppen.

Welche Auswirkung hat die homophobe und kriminalisierende Gesetzgebung in Kenia auf Prävention und zivilgesellschaftliches Engagement?

Erst Ende Mai 2019 hatte Kenias Oberster Gerichtshof entschieden, wichtige Bestimmungen der Abschnitte 162 und 165 des kenianischen Strafgesetzbuches beizubehalten: Bestimmungen, die private sexuelle Handlungen kriminalisieren und zu Diskriminierung und Gewalt gegen LGBT Communities in Kenia führen. UNAIDS bedauerte in einer Pressemitteilung, dass die Kriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen eine Verletzung der Menschenrechte darstellt. Sie legitimiert Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt gegen Individuen und LGBT-Communities. Die Kriminalisierung verhindert, dass Menschen Zugang zu und Nutzung von HIV-Präventions-, Test- und Behandlungsdiensten erhalten und erhöht ihr Risiko, HIV zu bekommen.

Weltweit ist nach aktuellen Angaben von UNAIDS das Risiko, HIV zu bekommen, bei Schwulen und anderen Männern, die Sex mit Männern haben, 28-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung und 13-mal höher bei transgender Frauen. Auf Verbot ausgerichtete rechtliche und politische Rahmenbedingungen und das Fehlen maßgeschneiderter Dienste für Personen aus sog Schlüsselgruppen erhöhen ihre Anfälligkeit für HIV. UNAIDS fordert in der Pressemitteilung Länder nachdrücklich dazu auf, die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte aller Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu gewährleisten, bspw.  indem sie Gesetze aufheben, die den Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen unter privaten Bedingungen verbieten, Gesetze durchsetzen, um Menschen vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen, Homophobie und Transphobie bekämpfen und sicherstellen, dass wichtige Gesundheitsdienste bereitgestellt werden.

Welchen Einfluss sieht Allan Maleche bei den Kirchen

In der Darstellung der derzeitigen Situation diskutierte Allan Maleche  den aus seiner Sicht negative Einfluss der Kirchen auf die HIV Prävention und das Leben mit HIV. Insbesondere in Bezug auf Moral und die stattfindende Kategorisierung und Klassifizierung nicht konformer - von der „Norm“ abweichender - Lebensweisen, die manchmal auch dazu führt, dass Menschen mit HIV aus den sog. „Schlüsselgruppen“ weitmögliche Distanz zu Behandlungszentren suchen, weil sie dort diskriminiert werden.

Rolle der Bunderegierung und der Botschaften

Maleche ging auch auf die Rolle ein, die die Bundesregierung vor Ort spielen könnte, um Menschenrechte für vulnerable Gruppen besser adressieren und durchsetzen zu können. Es sind vor allem die Botschaften, die eine positive Rolle zu spielen scheinen. Wie wir bereits vor wenigen Monaten in einem Austausch zur HIV Situation in Libanon erfahren haben, sind es auch in Kenia manchmal Botschaften, die sehr offen Menschenrechtsfragen ansprechen. Es stelle sich die Frage, wie Botschaftsangehörige motiviert werden könnten, diese Rolle noch akzentuierter auszufüllen und ggf. mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) zu kooperieren oder sich zumindest auszutauschen. Denn anders gestalte sich die Situation auf der Ebene der Programmimplementierung durch Mittel des BMZ: hier könne bzw. sollte entschieden mehr getan werden. Es wäre an der Zeit, dass Menschenrechtsprogramme engagiert und direkt unterstützt würden. Menschenrechte (Recht auf Gesundheit, Teilhabe, Kriminalisierung etc.) sollten zukünftig in Mittelvergabe, Programmplanung -Umsetzung und Evaluierung mitgedacht und selbstverständlich eingebunden werden.

Digitalisierung, E-Health: technisch Mögliches, Menschenrechte und Erfahrungen vor Ort

Um Menschen in Behandlung zu bringen legen einige Geldgeber derzeit hohen Wert auf Datensammeln und die Durchführung technischer Möglichkeiten. Es liegen Pläne in der Schublade noch mehr Menschen in entfernt liegenden Regionen durch Drohnen mit Medikamenten zu versorgen. Elektronische Möglichkeiten der Datenerfassung zur Versorgung und Complianceförderung durch Mobilfunk übers Handy sehen gegenüber den neuen Möglichkeiten regelrecht altmodisch aus. Auch die Bundesregierung singt, wenn immer möglich, das hohe Lied der Digitalisierung von Gesundheit, des technischen Fortschritts und Machbaren: E-Health lautet das Zauberwort. Das Sammeln von Daten scheint gerechtfertigt, wenn es hehren Zielen dienen, bspw. zur Kalkulation der Größe sog. Schlüsselgruppen mit erhöhtem HIV Risiko.

Maleche gibt zu bedenken, dass die elektronische Sammlung ohne Datenschutz Gefahren birgt. Das dürfte überall gelten - siehe unsere Diskussion um die Gesundheitskarte - hat aber in Gesellschaften und politischen Systemen, die Menschen mit HIV und LGBTI Communities kriminalisieren und Respekt vor Menschenrecht kaum kennen, eine ganz besondere Brisanz. Wichtig sei es, dass bei der Durchführung von Programmen die Menschenrechtslage vor Ort berücksichtigt werde. Der Sachverhalt, dass eine Registrierung und Datenerfassung allzu oft eine Voraussetzung zur Aufnahme in bestehende Programme darstellt und die Regierung Kenias bspw. dadurch Druck ausübt, dass solange keine neuen Personalausweise ausgestellt werden, solange sich die betreffende Person der kompletten Datenerfassung verweigert, stimmt bedenklich, hat Erpressungs- bzw. Bestechungspotential.

Der Globale Fond und das Thema Menschenrecht

All dies sind Themen zu denen Allan Maleche und die NGO KELIN arbeitet und auch gegenüber dem Globalen Fond Sensibilität einfordert. Bei allen Engpässen ist und bleibt der Einsatz des Globalen Fonds für ihn wichtig, wenn nicht gar von zentraler Bedeutung: besonders wichtig sei, dass die Teilnahme von NGOs und Zivilgesellschaft bei der Vergabe von Mitteln gleichberechtigt berücksichtigt würden. Dadurch könne Transparenz und Misswirtschaft gesteigert, das Risiko von Korruption gesenkt werden. „Wenn Fälle von Korruption oder Menschenrechtsverletzungen offenbar werden, würden geldgebende Länder zur Drohung manchmal Mittel kürzen, wie das wahrgenommen werde?“, fragte einer der Diskussionsteilnehmer. Mittelkürzungen seine als Notbremse durchaus legitim, allerdings müsse beachtet werden, dass dadurch das Wohlergehen und Leben von Menschen unter Therapie nicht gefährdet werde.

Da sich der Globale Fonds bis zur nächsten Sitzung im November intensiv mit dem Thema „Menschenrecht“ auseinandersetzt, wurde mit Malleche vereinbart, gemeinsam an einem Positionspapier zu arbeiten. „Gemeinsam“ meint hier, Teile der Zivilgesellschaft Kenias und Deutschlands. Das soll ein offener Prozess sein. Wer mitarbeiten möchte, kann sich gerne beim Autor melden.

Weitere Informationen zu Allan Maleche und seiner Arbeit:

KELIN, reclaiming rights, rebuilding lives: https://www.kelinkenya.org/
https://www.developingngo.org/amo-team/a...
https://megdavisconsulting.com/2018/07/3...
Interview: https://www.youtube.com/watch?v=6E6-wYk7mIc https://web.facebook.com/search/top/?q=m...
UNAIDS zur Kriminalisierung von LGBTI Communities in Kenia: https://www.unaids.org/en/keywords/kenya

The EAC HIV Law extremely progressive:  http://www.kelinkenya.org/wp-content/upl...
A summary of the case  that upheld the discriminatory law: https://www.kelinkenya.org/wp-content/up...
A blog about the recent case looking from a HIV perspective: https://www.hhrjournal.org/2019/06/kenya...
The special session on human rights: https://www.developingngo.org/2018/11/21...

Peter Wiessner, im Juni 2019

Kontakt: wiessner@aids-kampagne.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024