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Koste es, was es wolle!

Vergleichende Studie zur Preisfestsetzung des HIV-Medikaments Dolutegravir in 50 Ländern

Eines der interessantesten Poster der im Oktober stattgefundenen HIV Drug Therapy Conference Glasgow 2018 stammte von Andrew Hill, Imperial College London. Andrew Hill hatte vor einigen Jahren belegen können, dass die Herstellung des Hepatitis C Medikaments Sofosbuvir spottbillig ist, trotzdem wurde eine einzige Tablette des Medikaments nicht für Pfennigbeträge abgegeben, sondern für 1,000 US Dollar verkauft, was zu Milliardengewinnen der Firma Gilead führte. Die Rhetorik, dass der Preis mit den Entwicklungs- und Herstellungskosten korreliert, wurde durch diese Untersuchung als Humbug enttarnt. Die Industrie nutzt Patente und Marktstellungen aus und wenn dabei eine Tablette den Preis von Diamanten übersteigt - umso besser!

In seiner neuen Untersuchung vergleicht Andrew Hill den Preis für das überlebenswichtige HIV Medikament Dolutegravir in 50 Ländern aus Hocheinkommensländern (H), Ländern mit höherem und mittlerem Einkommen (M) und Ländern mit niedrigem Einkommen (U). Der Preis reicht von 20,130 US Dollar zur Behandlung pro Jahr in den Vereinigten Staaten (H) bis zu 27 US Dollar pro Jahr in Georgien (U). Das Medikament wurde 2013 in den USA zur Behandlung zugelassen.

Preise korrelieren nicht mit Pro-Kopf-Einkommen

Man könnte vermuten, dass die Preise, die für Medikamente bezahlt werden mit dem durchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen der jeweiligen Länder korrelieren und sich die unterschiedliche Höhe der Preise dadurch rechtfertigen. Das ist weit gefehlt! Hills vergleichende Studie belegt, dass die Preise auch innerhalb der einzelnen Länderkategorien beträchtlich variieren können.

Ein Beispiel aus der Kategorie der Hocheinkommensländer:

Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den USA beträgt 57,638 US Dollar, für die Jahresdosis Dolutegravir wird, wie oben bereits erwähnt, 20,130 US Dollar bezahlt. Im Vergleich dazu beträgt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Kanada 42,349 US Dollar. Der Preis für das Medikament in Kanada beträgt jedoch „lediglich“ 5,267 US Dollar, etwa ein Viertel der Summe, die in den USA über den Ladentisch wandert. In Singapur, ebenfalls ein Hocheinkommensland, kostet das Medikament 4,911 US Dollar im Jahr. Die Preisspanne liegt somit zwischen 20,139 bis 4,911 US Dollar im Jahr.  

Beispiele aus Ländern mit höherem und mittlerem Einkommen sind noch eindrücklicher: So muss in Bulgarien 9,656 für eine Jahresdosis Dolutogravir bezahlt werden, Iran bezahlt dafür 36 US Dollar.

Ähnliches beobachtet Andrew Hill in der Kategorie der Länder mit niedrigem Einkommen: In Indien kostet die Jahresdosis des Medikaments 538 US Dollar, in Georgien 27 US Dollar.

Für eine Jahresdosis desselben Medikaments liegt die Preisspanne zwischen 20,130 und 27 US Dollar.  

Als Resümee hält Andrew Hill fest was durch die Vergleiche offensichtlich ist: die Preise innerhalb der unterschiedlichen Länder- und Einkommenskategorien variieren beträchtlich.

Abschließend kann man zu dem Ergebnis kommen, dass die Industrie genau den Preis erzielt, den die einzelnen Länder bereit sind zu bezahlen. Mit „Verteilungsgerechtigkeit“ dürfte das wenig zu tun haben, wohl aber mit Lobbyismus.

Sicherlich gibt es weitere Faktoren, die eine Rolle spielen und überprüft werden sollten, bspw. die Auswirkung der Preisfestsetzung in Ländern, die als Referenz für andere Länder hergenommen werden.

Der Preis, der in Deutschland erzielt wird, gilt als Referenz für andere europäische Länder. Es wäre gut zu wissen, welche Mechanismen hier wirken und welche Einflussfaktoren bei der Festlegung des Preises wirklich geltend gemacht werden.

Nicht umsonst ist die Preisfestsetzung der Medikamente eines der am besten gehüteten Geheimnisse aller involvierten Akteure.

Peter Wiessner

Kontakt: wiessner@aids-kampagne.de

Aktionsbündnis gegen AIDS, 2024